Interview der Woche: Lisa von Hansedelli

Ihre Taschen-E-Books gehören zu den beliebtesten Schnittmustern auf dem Markt - an Hansedelli kommt man nicht vorbei, wenn es um das Thema Taschen geht. Heute besucht uns Lisa, der kreative Kopf hinter dem Label, im Nahcafé und plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen. Wie sie an die Nähmaschine gekommen ist, wie ein Hansedelli-Schnittmuster entsteht und warum sie schon als Teenie mehr Taschen als Schuhe besaß, verrät sie uns im Interview.
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Ihre Taschen-E-Books gehören zu den beliebtesten Schnittmustern auf dem Markt - an Hansedelli kommt man nicht vorbei, wenn es um das Thema Taschen geht. Heute besucht uns Lisa, der kreative Kopf hinter dem Label, im Nahcafé und plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen. Wie sie an die Nähmaschine gekommen ist, wie ein Hansedelli-Schnittmuster entsteht und warum sie schon als Teenie mehr Taschen als Schuhe besaß, verrät sie uns im Interview.

Lisa von HansedelliSewunity: Hallo Lisa, wie schön, dass du dich unseren Fragen stellst! Herzlich Willkommen im Nähcafé. Wovon halten wir dich denn gerade ab?

Lisa: Danke, dass ich dabei sein darf! Ich bin gerade dabei mein „neues Leben als Vollzeit-Selbstständige“ zu organisieren. Ich hab es tatsächlich gewagt und vor einigen Monaten meinen unbefristeten Job in einem Grafikbüro gekündigt und bin nun seit 1.1.2019 voll und ganz Hansedelli.

Mit der FoldOver 2.0 hast du ein Schnittmuster entworfen, das eingeschlagen hat wie eine Bombe. Hättest du das beim Entwerfen gedacht?

Die FoldOver 2.0 ist ja bereits ein Re-Design meiner ursprünglichen FoldOver-Tasche. Die war damals 2015 mein erstes veröffentlichtes Schnittmuster und ich war mega überrascht, wie gut das Schnittmuster ankam. Mit der Zeit verändert sich ja so einiges und so auch die Gestaltung meiner E-Books. Und da die FoldOver einfach mein Beststeller ist, habe ich Ende 2017 das E-Book komplett überarbeitet und dem Niveau meiner neuen E-Books angepasst, dazu noch einige Extras hinzugefügt und heraus kam die FoldOver 2.0. Ich bin immer noch total begeistert, wie gut das Schnittmuster ankommt und freue mich, so viele Kreative glücklich machen zu können.

Du hast dich auf das Entwerfen von Taschenschnittmuster festgelegt. Warum ausgerechnet Taschen?

Ich war schon immer ein Taschen-Freak. Bereits als Jugendliche hatte ich mehr Taschen als Schuhe und war immer auf der Suche nach den außergewöhnlicheren Taschen. Es liegt mir also irgendwie im Blut smiley
Was mir besonders am Taschennähen gefällt, ist, dass das Schnittmuster nur in sich passen muss und nicht auf bestimmte Körperformen angepasst werden muss. Man kann sich also sicher sein, wenn man sich an die Anleitung hält, dass eine Tasche später „passt“.

War dir das von Anfang an klar, dass du dich spezialisieren wirst?

erste NähwerkeAls ich damals so richtig mit dem Nähen angefangen habe, waren das vor allem kleine Täschchen, die ich dann auch verschenken konnte (auf dem Bild seht ihr eins meiner allerersten Nähwerke). Ich denke, so hat sich das damals dann einfach entwickelt.

Wie hat die Näh-Leidenschaft bei dir denn überhaupt angefangen? Wie bist du zum Nähen gekommen?

Ich war schon immer sehr kreativ – Kunst war mein Lieblingsschulfach und auch außerhalb der Schule habe ich viel gemalt und gebastelt. Irgendwie stand schon immer für mich fest, dass ich später mal was Kreatives machen möchte – Modedesigner oder Innenarchitekt standen immer ganz oben. Meine Mutter hat mir irgendwann dann eine Nähmaschine geschenkt und so begann dann wohl das „Es war einmal…“ smiley
Ein paar Jahre später habe ich dann noch ein längeres Praktikum bei einem Raumausstatter gemacht, wo ich auch privat viel nähen durfte und es hat mir einfach total Spaß gemacht.

Und was war dein allererstes selbst genähtes Ding? Kannst du dich daran noch erinnern?

Ja, da kann ich mich noch ganz genau dran erinnern, denn es war ziemlich lustig. Ich glaube ich war so 10 oder 11 Jahre alt. Da habe ich einfach 3 alte Jeanshosen von mir zerschnitten und habe daraus dann eine neue Jeans genäht (damals noch per Hand und viel Geduld). Die saß dann natürlich total schrecklich, aber ich glaube das könnte der „Ursprung“ gewesen sein.
Hab dann aber lange nichts mehr gemacht, außer für das ein oder andere Schulprojekt.
Nachdem mir meine Mutter dann eine Nähmaschine geschenkt hatte (ich glaube da war ich 18 Jahre alt) war mein erstes „Projekt“ tatsächlich Bettwäsche zu kürzen smiley

Warst du sofort Feuer und Flamme? Oder hat sich die Liebe zum Nähen langsam eingestellt?

Nach dem „Bettwäschekürzen“ und Raumausstatter-Praktikum habe ich dann irgendwann als erstes größeres Projekt ein komplettes Bettwäscheset selber genäht. Das war damals schon eine kleine Herausforderung, weil ich ja alles genau berechnen musste und so, aber es hat geklappt und ich war ziemlich stolz. Danach ging es dann langsam los mit kleinen Täschchen und einfachen Röcken.

Gab es auch Stolpersteine? Projekte, bei denen nichts gelingen wollte? Kannst du uns etwas von einer Näh-Panne erzählen?

Stolpersteine gibt es immer mal wieder, aber meistens experimentiere ich solange herum, bis es so wird, wie ich es haben möchte. Manchmal hilft es, ein Projekt dann ein paar Tage nicht anzuschauen. Irgendwann macht es „klick“ und man hat die Lösung für das Problem.
Eine richtig große Näh-Panne hatte ich aber zum Glück noch nicht.

Du hast den Schritt in die Designer-Tätigkeit sicherlich nicht überstürzt getroffen. Erzähl doch mal: Wie kam es dazu, dass du angefangen hast, E-Books zu erstellen und zu verkaufen?

Damals, als es bei mir mit dem Nähen so richtig los ging, gab es noch nicht sehr viele (gute) Anleitungen und generell wollte ich irgendwann „mehr“. Da hab ich dann angefangen eigene Täschchen und Taschen zu gestalten und das war dann irgendwann auch die „Geburtsstunde“ meiner FoldOver-Tasche.
Die nähte ich dann oft auch für Freunde und zeigte Fotos der Taschen in einer Facebook-Nähgruppe. Die kamen immer so gut an und die Nachfrage nach einem Schnittmuster dafür war sehr groß. Da habe ich mich dann einfach hingesetzt und losgelegt. Dank meines Design-Backgrounds (ich habe ein abgeschlossenes Design-Studium) fiel mir die Gestaltung der Anleitung auch recht leicht und das fertige E-Book kam sehr gut an. Das Ganze hat mir so einen großen Spaß gemacht, dass ich einfach weiter gemacht habe.

Stell dir vor, du könntest eine Zeitreise machen und die Lisa treffen, die kurz davor steht, ihr erstes E-Book zu veröffentlichen. Was würdest du ihr sagen?

Vertraue auf dich und deine Ideen. Du wirst alles genau richtig machen und in ein paar Jahren tatsächlich gut davon leben können.

FoldOver MiniErlaubst du uns einen kleinen Blick hinter die Kulissen? Wie entsteht ein Hansedelli-E-Book?

Alles beginnt mit einer Überlegung, wofür die nächste Tasche sein soll, also z.B. für ein Smartphone oder ein Rucksack. Dann mache ich sehr viele Skizzen, wie ich mir die Tasche vorstelle und was für Extras ich gerne hätte. Manchmal frage ich auch auf meiner Facebook-Seite, was sich die Leute für Extras wünschen, und probiere diese auch zu integrieren.
Danach geht es auf Online-Recherche, da ich nichts machen möchte, das es „genau so“ oder „zu ähnlich“ bereits gibt. Klar, bei manchen Sachen kann man das Rad nicht neu erfinden, aber ich probiere mich immer möglichst von anderen Dingen abzuheben.
Beim Design spiele ich gerne mit geometrischen Formen und generell ist mein Stil eher geradlinig.
Nach der Recherche gehts ans Schnittmuster entwerfen und erste Prototypen nähen. Meistens nähe ich im Vorfeld selbst bis zu 5 Prototypen und ändere das Schnittmuster immer weiter ab, bis ich zufrieden bin. Mein Stammteam bezeichnet das immer als mein eigenes Probenähen vor dem eigentlichen Probenähen smiley Aber ich bin da einfach sehr perfektionistisch und will es so genau wie möglich haben. Bis zu diesem Moment können auch schonmal mehrere Wochen oder bei sehr aufwändigen Projekten sogar Monate vergehen (Rucksack ROANA hat z.B. von der ersten Skizze bis zum finalen E-Book etwa 3 Monate gedauert – da war ich allerdings auch noch in einer Festanstellung und konnte nur nebenher nähen).
Danach nähe ich noch den finalen Prototypen fürs E-Book, an dem jeder Schritt fotografiert wird. Parallel mache ich mir schon Notizen, was ich später dazu schreiben möchte.
Nachdem alle Fotos im Kasten sind, beginnt das Layouten. Ich habe mittlerweile meinen eigenen Layout-Stil gefunden, dem ich treu bleibe und der auch sehr gut ankommt (man kann es natürlich nicht jedem Recht machen, aber der Mehrheit gefällt dieser Stil genauso gut wie mir).
Vom „Datei anlegen“ bis zur „vorläufig finalen E-Book-Version“ dauert es dann meistens so 1-2 Wochen (je nachdem, wie aufwändig das Projekt ist). Dann folgt das Probenähen mit den letzten Korrekturen und anschließend wird das E-Book veröffentlicht.

Und dürfen wir ein bisschen spickeln? Hast du schon konkrete Pläne, auf was wir uns als nächstes freuen dürfen?

RoanaMein Rucksack ROANA, der vor ein paar Monaten veröffentlicht wurde, kam sehr gut an und die Leute wünschen sich dieses Schnittmuster noch in kleiner (als Kinderrucksack) und in größer (für Männer). Das wird also mein erstes Projekt 2019 sein.
Ich hab noch ein paar weitere Ideen, z.B. soll dieses Jahr auch endlich die Erweiterung zum Freebook der Smartphonetasche KUORI herauskommen – auch als Freebook und dieses Mal für Tablet und Laptop.
Alles weitere kommt dann so mit der Zeit, denn Inspiration finde ich an jeder Ecke. Die Kunst ist es dann, diese Inspiration zu nutzen und etwas ganz anderes daraus zu machen.

Wie sehen generell deine Pläne für die Zukunft aus? Die Näh-Szene boomt ja nach wie vor, auch wenn durch das DaWanda-Aus einige Erschütterungen durch die Reihen gingen. Denkst du, der Boom wird anhalten, oder befinden wir uns bereits auf dem absteigenden Weg?

Ich kann bisher keinen Rückgang des Booms feststellen. Ich habe damals zum Glück direkt von Anfang an meine eigene Website mit Shop gehabt und mein Geschäft nicht auf eine einzelne Plattform ausgerichtet. Die Plattformen sehe ich aber als schönen Zuverdienst.
Wir sind auch gerade dran meine E-Books auf Englisch zu übersetzen und Hansedelli zu internationalisieren. Das erste E-Book ist bereits auf englisch erschienen und wird sehr gut angenommenen. Ich bin gespannt, was die Zukunft noch so bringt.

Zum Abschluss noch eine Frage in eigener Sache: Auf Sewunity können ja Schnittmuster nach einem Fünf-Sterne-Prinzip bewertet werden. Wie viele Sterne würdest du denn Sewunity geben, und warum?

Sewunity finde ich echt gut! Anfangs fand ich es ein wenig undurchsichtig, aber mittlerweile komme ich gut zurecht. Rosa ist nicht ganz so meine Farbe smiley Darum würde ich insgesamt 4 Sterne geben.

Und ein kleines Spielchen wollen wir auch noch mit dir spielen. Ich nenne dir immer zwei Begriffe und du sagst ganz spontan, was für dich eher zutrifft:

Rollschneider oder Schere? Rollschneider
E-Book oder Papierschnitt? E-Book
Webware oder Maschenware? Webware
Nähkurs oder Autodidakt? Autodidakt
Overlock umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? Ich nähe sehr selten mit der Overlock und fädle immer nur auf hell oder dunkel ein. Bei der normalen Nähmaschine nähe ich aber fast immer mit einer möglichst passenden Farbe.
Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Onlineshopping
Couch oder Laufschuhe? Couch
Kaffee oder Tee? Morgens Kaffee, vormittags bis nachmittags Tee, nachmittags Kaffee, abends Tee smiley

Vielen Dank für deinen Besuch!