Interview der Woche: Nora von Pattarina

Nähen macht so viel Spaß  - wenn da nur nicht das blöde Schnittmusterkleben wäre. Abhilfe schafft eine ganz besondere App, die die Übertragung der Schnittteile auf den Stoff immens vereinfachen soll. Im Interview mit Sewunity erklärt Nora von Pattarina, was es damit auf sich hat und wie viel Herzblut in ihrem Mega-Projekt steckt. 

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Sewunity: Liebe Nora, herzlich willkommen im Sewunity-Nähcafé. Normalerweise begrüßen wir an dieser Stelle immer Schnittmusterdesigner. Mit Pattarina habt ihr allerdings etwas geschaffen, was das Leben von zahlreichen Nähfreunden deutlich einfacher machen dürfte – eine ganz besondere App. Erzählt doch mal, was es damit auf sich hat.

Nora von Pattarina
Nora von Pattarina

Mit Pattarina kann man ein Schnittmuster direkt vom Handy auf den Stoff übertragen. Die Technologie, die dafür verwendet wird, ist Augmented Reality – das kennt man vielleicht von Pokemon Go. Bei uns werden eben keine Pokemon angezeigt, sondern Schnittteile. Und die kann man dann direkt auf den Stoff zeichnen. Das heißt: Keine Schnittmuster mehr ausdrucken, zusammenkleben, ausschneiden oder aufwendig abpausen. Das Schnittmuster liegt in allen gradierten Größen übersichtlich in der App, und man kann es einfach direkt auf den Stoff zeichnen. So hat man mehr Zeit zum nähen, und auch mehr Übersicht im Schnittmusterfach.

Das wäre in der Tat ein Traum. Jetzt mal ganz konkret gefragt: Wie kommt man denn auf so eine gleichermaßen abgefahrene wie geniale Idee?

Pattarina

Ich habe von meiner Mutter schon nähen gelernt und dann nach der Geburt meiner eigenen Kinder wieder damit angefangen – wie so viele Frauen. Und schon immer war ich von der Vorbereitung der Schnittmuster genervt. Eines Nachts, nach einer Silvesterparty, ist mir eingefallen, dass man Schnittmuster doch mit Licht auf dem Stoff anzeigen könnte – so eine Art Schnittmusterbeamer. Ein halbes Jahr bin ich mit dieser Idee durch die Welt gelaufen. Dann habe ich meinen späteren Mitgründer Markus Uhlig und unseren Mentor Professor Lewerentz von der BTU Cottbus kennengelernt. Zusammen haben wir uns entschieden, es mal mit Augmented Reality auszuprobieren. Und es hat geklappt!

Erst vor Kurzem habt ihr die Testphase eurer App abgeschlossen und seid von vielen Designern in dieser Phase unterstützt worden. Wie waren denn allgemein die Reaktionen, als ihr von eurer Idee erzählt habt?

Das ist recht unterschiedlich, manche rufen sofort Hurra, andere waren etwas skeptisch, ob und wie es funktioniert. Was man sagen muss: Die Technologie, mit der wir arbeiten, gibt es noch nicht lange. Sie steckt sozusagen noch in den Kinderschuhen, und mit diesen Kinderschuhen marschieren wir sozusagen in unbekanntes Gebiet. Die App ist deshalb auch noch lange nicht fertig, sondern wird von uns ständig weiterentwickelt. Deshalb ist es auch total normal, wenn man da anfangs skeptisch ist.

Wie wird es mit Pattarina nun weitergehen? Wie kommt man an die nötigen QR-Codes, um die App voll nutzen zu können?

Pattarina-App
Die Pattarina-App

Die Schnittmuster kommen in die App per QR-Code. Den kauft man bei den Designern, mit denen wir zusammenarbeiten. Noch geht alles langsam, weil wir einfach wahnsinnig viel zu tun haben mit der App. Aber es werden stetig mehr Designer dazu kommen. Jedenfalls kauft man dort den Code, scannt ihn mit der App ein und dann kann man gleich mit der Übertragung loslegen. Wer es vorher erstmal probieren möchte: In der App sind drei kostenlose Testschnittmuster drin!

Und weitergehen wird es so, dass wir erstmal unser Angebot an Pattarina-fähigen Schnittmustern ausweiten werden. Und dann werden wir schauen, wo uns die Reise hinführt. Möglich ist vieles, zum Beispiel kann man mit Pattarina auch prima Dekorationen übertragen oder einen Kuchen verzieren.

Die App ist ja auch nicht alles. Seit Anfang August ist auch euer Buch „Nähen mit Pattarina“ am Markt erhältlich, das diverse Schnitte mit den entsprechenden Codes für die App enthält. Wie ist es denn dazu gekommen, dass ihr auch gleich ein Buch herausbringen konntet?

Der frechverlag, die die TOPP-Bücher rausbringen, hat uns schon vor längerem auf Instagram entdeckt und sich direkt entschieden, ein Buch rauszubringen. Es heisst „Nähen mit Pattarina“ und ist Mitte August erschienen. Das ist super, weil man für einen günstigen Preis gleich viele Pattarina-fähige Schnittmuster erhält. Um genau zu sein sind es sogar zwei Bücher: Zu jedem Schnittmuster, das im neuen Buch von Stefanie Kroth (von SO! Pattern) ist, kann man für 1,99 Euro eine Pattarina-Erweiterung online kaufen. So spart man sich auch dort das lästige Abpausen und Ausschneiden. Das Buch heißt „Kinderkleidung für Einsteiger ganz einfach aus Webware nähen“.

Nun ist ja nicht jeder, der gut nähen kann, auch anderweitig mit Geschick ausgestattet. Gelingt es trotzdem, die via App projizierten Linien sauber nachzuzeichnen, wenn man in der anderen Hand das Smartphone hält – oder empfehlt ihr für solche Fälle ein Stativ?

Pattarina-App
Schnittlinien abzeichnen

Man muss nicht die gesamten Linien nachzeichnen, sondern meistens reichen einige Punkte oder kleine Strichel aus. Eben so viele, dass man gut dran entlangzeichnen kann. Den Stoff sollte man am besten mit Gewichten beschweren. Wer sich dann unsicher ist mit dem Handy in der linken und dem Stift in der rechten Hand, dem empfehlen wir ein Schwanenhalsstativ, die kann man an den Tisch klemmen. Aber wir beobachten, dass es meist nur ein kurzer Übungsaufwand ist, man muss mal ein oder zwei Teile übertragen, und dann klappt das auch ohne Stativ. Woran man sich gewöhnen muss ist, dass man durch das Handy nur in 2D und nicht in 3D schaut. Dadurch hat man keine Tiefenebene im Blick, und sieht also nicht, wann der Stift den Stoff berührt, sondern spürt es nur. Aber den Dreh haben wirklich die allermeisten nach wenigen Minuten raus.

Gehen wir nun mal zu einem anderen Thema. Du selbst nähst ja auch leidenschaftlich. Wie bist du dazu gekommen, wann ging es bei dir damit los?

Ich nähe schon ganz lange, habe das Nähen von meiner Mutter gelernt und mit Barbiekleidern losgelegt. Dann habe ich lange nichts gemacht und nach der Geburt des zweiten Kindes wieder angefangen. Allerdings keine Kindersachen, sondern vor allem Sachen für mich.

Was nähst du besonders gerne und hast du spezielle Lieblingsschnitte?

Ich trage am liebsten Kleider und Röcke und nähe deshalb auch fast nur sowas. Mein Lieblingsrock ist immer noch der Paperbag-waist-Rock, den man immer noch auf meinem privaten Nähblog findet (einfach pinalina und paperbag googeln). Den wird es demnächst auch in der App geben!

Gibt es Techniken bei Nähen, die du nicht so gerne machst? Wenn ja, welche sind das und warum?

Jerseysäume umnähen, weil ich es irgendwie mit der Zwillingsnadel nie so hinkriege, wie ich gern möchte. Außerdem Raffungen ordentlich verteilen, da hab ich immer das Gefühl, dass ich den Stoff nicht richtig gleichmäßig verteilt habe.

Was war dein bisher größtes Nähprojekt? Und hast du ein Traumprojekt, was du gerne mal realisieren würdest?

Mein größtes Projekt: Ein Softshellmantel, der nicht wie die klassische Softshelljacke aussieht, sondern nach einem normalen Mantelschnittmuster gemacht ist. Leider trage ich ihn nie, weil er doch etwas zu lang ist und am Hals etwas zu frisch. Ich müsste den Reißverschluss nochmal rausnehmen. Tja, dafür fehlt mir leider die Geduld. ;-)

Was sind denn eure konkreten Pläne für die Zukunft? Wie werdet ihr dafür sorgen, dass Pattarina weiter wächst und immer bekannter wird? Wird es weitere Bücher geben?

Wir arbeiten jeden Tag daran, die App besser zu machen! Als nächstes großes Thema haben wir uns vorgenommen, die Übertragung großer Schnittteile bequemer zu machen. Danach ist das Ziel, deutlich mehr Schnittmuster in der App verfügbar zu machen.

Wäre es für dich auch eine Option, selbst Schnittmuster zu entwickeln? Und wenn ja, welche Richtung würde dir gefallen?

Nein, eher nicht. Ich schreibe zwar jetzt die Anleitungen für die Pattarina-Schnittmuster, die es zum Testen gibt. Die Schnittteile entwickelt eine professionelle Directrice. Das Schreiben der Anleitung ist kein Problem, aber dann vernünftige Fotos der fertigen Teile zu machen, und die Teile am besten noch in verschiedenen Varianten zu nähen ... da liegen meine Talente nicht unbedingt.

Wie lautet deine ganz persönliche Botschaft an die Näh-Szene? Was muss passieren, damit Nähen auch in den kommenden Jahren ein beliebtes, populäres Hobby bleibt?

Ich glaube, das Nähen hat im Lebenslauf eine Zeit: Erst ist es total der Hit, dann flaut es mal ein wenig ab, und irgendwann kommt es vielleicht wieder. Deshalb ist es wichtig, immer wieder neue Leute fürs Nähen zu begeistern und ihnen den Einstieg so einfach wie möglich zu machen. Mit Pattarina versuchen wir, die Hürde mit den Schnittmustern abzubauen. Und ich glaube, dass jeder und jede ein bisschen mit dafür sorgen kann, dass sich kein Anfänger doof fühlen muss oder den Eindruck hat, sich für seine ersten Werke entschuldigen zu müssen. Wir haben alle mal angefangen, und die Hauptsache ist doch, dass man Spaß hat und sich verbessert.

Zum Schluss noch eine Frage in eigener Sache: Auf Sewunity bewerte die User Schnittmuster mit Sternen, fünf Sterne sind die Höchstwertung. Wie viele Sterne würdet ihr Sewunity geben und warum?

Fünf Sterne. Einfach eine super Plattform! Und wir hoffen natürlich, bald mit euch zusammenarbeiten zu können.

Am Ende laden wir dich wie all unsere Interviewpartner noch zu unserem kleinen Entscheidungsspiel ein. Wir geben dir jeweils zwei Begriffe zur Auswahl, bitte wähl doch den aus, der für dich am meisten zutrifft.

E-Book oder Papierschnitt? Pattarina! (Ich denke, diese Frage verdient ab jetzt eine dritte Auswahlmöglichkeit)

Rollenschneider oder Schere? Schere.

Webware oder Maschenware? Webware.

Nähkurs oder Autodidakt? Beides. Ich gehe immer noch gern zu Kursen, man lernt ja nie aus.

Ovi umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? Uups ... die Nähte liegen doch innen, das sieht doch kein Mensch!

Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Stoffladen. Alles anfassen.

Couch oder Laufschuhe? Morgens laufen, abends Couch.

Kaffee oder Tee? Mein Tag so: Tee, Kaffee, Kaffee, Tee.

Vielen Dank für das Gespräch!