Interview der Woche: Manuela von Courleys

Sie weiß, wie man seine Nähmaschine beherrscht und wie man aus einer Overlock wirklich ALLES rausholt: Manuela vom Label Courleys hat sich mit Nähkursen und Online-Videotutorials einen Namen gemacht. Im Interview mit Sewunity verrät sie, warum es sich lohnt, seine Maschine bis in die Tiefen verstehen zu lernen und warum ein richtig guter Nähkurs häufig unentbehrlich ist. 

Avatar

Liebe Manuela, schön, dass du im Sewunity-Nähcafé unser Gast bist. Normalerweise begrüßen wir hier an dieser Stelle vorwiegend die Designer von Schnittmustern – du hingegen giltst mit dem Label Courleys als die Königin beim Angebot von Overlock & Cover-Video-Tutorials, aber auch realen Nähkursen. Erzähl doch zunächst mal bitte, wie du dazu gekommen bist.

Manuela von Couleys
Manuela von Couleys

Ich habe mir vor vielen Jahren als absoluter Anfänger eine High End-Näh-Stickkombi gekauft, mit der ich absolut überfordert war. Die blieb dann erstmal in der Ecke stehen, und ich befasste mich nur noch mit meiner Overlock. Das Spiel der Spannungen, die Schönheit von ungewöhnlichen Garnen und das Einsatzgebiet der Maschine weit über das schnöde Zusammennähen zweier Stoffe hinaus haben mich vom ersten Tag an fasziniert. So wurde meine Overlock und später meine Cover zum Privatlabor. Jahre später nach der Trennung meines Ex-Mannes begann ich im Fachhandel zu arbeiten, wo ich mit meinem Wissen mit Kusshand genommen wurde. Schnell kristallisierte sich heraus, dass meine Art der Schulung großes Interesse bei den Kunden fand, da ich aufgrund meiner eigenen Geschichte genau weiß, wie krumm ein Anfänger mitunter denkt. Einige Entscheidungen später begann ich, meine eigenen Kurse zu geben, zunächst nur in Hamburg, aber der Ruf nach weiteren Städten wurde sehr schnell sehr laut.
Recht bald zeigte sich, dass ich selbst bei mehrfacher Zerteilung der Nachfrage nicht gerecht werden kann, und startete so mit einem ersten Video die Plattform „Courleys“, auf der es inzwischen zahlreiche Videos zu allen möglichen Overlock- und Coverthemen gibt, aber auch Schnitt-Videos, in denen es nie nur um einen Schnitt geht, sondern immer auch die Nähtechniken im Vordergrund stehen, um genau dieses Projekt genauso fertig stellen zu können.

Courleys
Courleys



Viele deiner Kurse beziehen sich auf den richtigen Umgang mit Overlock-Maschinen. Verrate uns doch mal ganz allgemein: Worin liegen die größten Probleme im Umgang damit, wobei werden gerade anfangs die meisten Fehler gemacht?

Wer näht, möchte meist möglichst schnell etwas Tolles, Einzigartiges in den Händen halten, weiter verschenken oder getragen sehen. Wir kennen alle das Vor-Stolz-fast-platzen-Können, wenn wir ein Unikat geschaffen haben. Viele kreieren aber dieses Unikat einzig aus dem Zusammenstellen unterschiedlicher Stoffe und präsentieren das dann mit den Worten „Schau aber nicht so genau auf diese oder jene Naht“.  Bei Facebook in den Nähgruppen werden mitunter Fragen ohne Sinn und Verstand gestellt, weil sich der Postersteller einfach nicht die Zeit genommen hat, sich mit seiner Maschine auseinanderzusetzen. Dransetzen, losnähen, und wehe, irgendwas haut nicht so hin. Würde sich jeder die Zeit nehmen, seine Maschine zu verstehen – und keine Frage, ich weiß, für die ein oder andere Bedienungsanleitung braucht man ein Studium –, würde er im Zeitablauf deutlich schneller, besser und sauberer und noch stolzer ans Ziel kommen. Genau darum habe ich das „Basiswissen zur Overlock“ gedreht. Selbst langjährige Overlocknutzer schwören darauf, wie ich inzwischen weiß.

Und bei den Covermaschinen, wie sieht es da aus?

Genauso, nur mit dem Unterschied, dass sich eine Cover eben nicht einfach wie eine Overlock in eine Standartnaht ( bei der Overlock 4-Faden-Überwendlingsstich) zwingen lässt. Für eine Cover braucht man ein Grundgefühl für Spannungen und den Willen, das zu verstehen, sonst wird es immer murksig. Beim Covern ist eine Sache extrem ausgeprägt: Die neue Cover zieht ein, und abends will der neue Besitzer mit dicken Garnen schönste Ziernähte machen, oder, noch wilder, mit dem Bandeinfasser ein perfektes Ergebnis sehen. Das ist ein bisschen wie Porsche kaufen und abends zur Verabredung um die Ecke driften wollen – geht zu 100% in die Hose.

Viele Nutzer besitzen mittlerweile High-end-Overlockmaschinen – zum Beispiel aus dem Hause Babylock –, aber sind nicht ansatzweise in der Lage, all das aus der Maschine zu holen, was sie kann. Was kann denn zum Beispiel so eine Overlock, was viel zu selten genutzt wird?

Manuela von Couleys
Manuela von Couleys

In erster Linie geht es nicht darum, was sie mehr kann, auch wenn sie z.B. den Wavestich kann. In erster Linie geht es darum, wo sie dem Nutzer, der sich nicht in die Untiefen einer Overlock rein fummeln möchte, den Umgang so weit erleichtert, dass man auch mit weniger Wissen mehr aus der Maschine raus holen kann als die reine Standartnaht (4-Faden-Overlock).

Was würdest du jemandem empfehlen, der zum ersten Mal an einer Overlock-Maschine sitzt? Was sollte der- oder diejenige sich als allererstes aneignen?

Ruhe. Einen Kaffee holen. Atmen nicht vergessen.
Und dann erstmal ein paar ganz einfache Nähte ohne Projektplan. Dann ein einfaches Projekt. Dabei mal in die Anleitung schauen oder noch besser mit der aufgebauten Maschine erstmal ins Video Basiswissen reingucken – dann kann nichts schief gehen und Fehler können sich gar nicht erst einschleifen. Und sich dann die Maschine nach und nach zum Untertan machen. Eine schlechte Idee ist auch ein Start mit einem schwierigen Stoff, wie Modal oder einer Seide. Ganz normaler Jersey oder Sweat ist super.

Und wobei werden die meisten Fehler gemacht – vielleicht nicht nur auf die Overlock bezogen, sondern beim Nähen allgemein? Bei welchen Bereichen rätst du speziell Hobby- und Freizeitnähern: Leute, schaut euch das genau an und befasst euch damit, wie es richtig geht – dann tut ihr euch leichter?

Fadenspannung. Nichts ist so einfach zu verstehen, wenn man es einmal genau erklärt bekommen hat, und nichts lassen die Leute so zügig aus den Augen. Das ist wirklich kein Hexenwerk, man muss sich nur einmal 15 Minuten Zeit nehmen und sich ein paar wenige Dinge klar machen. Das Schöne ist, hat man das einmal verstanden, kann man absolut jede Maschine bedienen. Genau da liegt auch das Geheimnis, warum die Leute so gern in meine Kurse kommen und hinterher so happy gehen, UND warum ich vorher die Maschinen nicht abfrage: Spannung funktioniert auf jeder Maschine gleich. Auf jeder.

Wie schon gesagt, bietest du ja nicht nur Videokurse, sondern vor allem auch Präsenz-Nähkurse an. Viele der Frauen und Männer, die heute nähen, haben sich den Umgang mit der Maschine selbst angeeignet – zum Beispiel mit der Hilfe von YouTube-Videos. Kann man so überhaupt gescheit nähen lernen und was macht einen richtigen Nähkurs deiner Meinung nach unentbehrlich?

Zu den YouTube-Videos habe ich ein etwas gespaltenes Verhältnis. Natürlich gibt es dort auch ganz tolle Videos mit viel Wissen, die super gedreht sind und mit denen man wirklich vorankommt. Leider ist aber diese Plattform für alle, und die Plattform fragt nicht, ob der Darsteller etwas kann oder nicht – sie zeigt einfach, was er anbietet.  Das Ergebnis ist mitunter haarsträubend, und manchmal erwische ich einen in meinen Kursen mit einem langjährig eingeschliffenen Fehler und den Worten „Hab ich bei YouTube da und da gelernt, mach ich schon immer so, hat aber noch nie gut funktioniert“. Dazu kommt häufig schlechter Ton, schlecht geführtes Bild, aber damit könnte man leben, wenn es nicht leider oft so wäre, dass an den wirklich schwierigen Stellen, da, wo es ernst wird zuhause an DEINER Maschine, da wird abgeblendet. Oder eine Hand draufgehalten. Und dann steht der User doch wieder da und weiß nicht, wie er genau dieses Problem lösen soll. Die Videos von Courleys zeigen schonungslos, was schwierig ist, denn genau das passiert auch zuhause bei demjenigen, der zuschaut. Wir blenden nicht weg, sondern stellen uns dem Problem.
Reale Kurse sind natürlich absolut unmittelbar, direkter geht es nicht. Häufig ergeben sich neue Fragen beim Machen selbst, und einer meiner Lieblingssprüche am Kursende ist „Je mehr man weiß, desto mehr weiß man, wie wenig man vorher wusste. Und ahnt, wie viel es noch zu lernen gibt“.

Leider befinden wir uns ja momentan immer noch im Corona-Ausnahmezustand und Kurse, darunter auch Nähkurse, können nicht stattfinden. Wie gehst du damit um, was versuchst du, um dein Business trotzdem am Laufen zu halten?

Seit neustem gibt es Webinare bei Courleys.  Der Unterschied zwischen Videokursen und realen Nähkursen ist immer das direkte Feedback auf das eigene Ergebnis. Genau das haben wir jetzt mit den 2-teiligen Webinaren online geschaffen: Im 1. Webinarteil wird das Thema erklärt, es können live Fragen gestellt werden und die werden unmittelbar beantwortet. Dann kann der Teilnehmer mit der Webinar-Videoaufzeichnung eine Woche zu Hause lernen, schickt uns Bilder seiner Ergebnisse, und im 2. Webinarteil bekommt er ein unmittelbares Feedback auf sein Genähtes und auf seine eventuell aufgetretenen Probleme. Beide Aufzeichnungen (Teil 1 und Teil 2) hat er danach noch 2 Wochen zum Anschauen und Vertiefen in seinem Courleys-Account und hat so eine tolle Möglichkeit, in diesem Thema ehrlich weiterzukommen. Die Webinare schließen so die Lücke zwischen Video und realem Kurs ein sehr großes Stück. Auch nach Corona werde ich an diesem Format festhalten, denn zum einen werde ich immer wieder in Ecken des Landes gerufen, in die ich einfach nie kommen kann (weil viel zu weit weg), und zum anderen gibt es eine Menge Nähende, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht zu einem Kurs kommen können. Sei es Krankheit, die Maschine kann nicht getragen werden oder welche Gründe auch immer.

Wenn jemand Nähkurse gibt, könnte man ja der Meinung sein, „die kann richtig gut nähen und macht alles locker flockig mit links“. Gibt es trotzdem Dinge beim Nähen, die du selbst überhaupt gar nicht magst und mit denen du dich schwertust?

Oh, absolut. Ich kann nicht besser oder schlechter nähen als jeder andere auch – ich kann nur die Maschinen besser beherrschen als viele. Was nähen angeht, überlege ich genauso, wie die Dinge gehen. Ich habe z.B. noch nie ein Etuikleid genäht oder ein Sakko mit Futter. Man muss sich das ein bischen so vorstellen wie jemand, der gut sticken kann. Der weiß vielleicht alles übers Digitalisieren und über Vliese und wellige Motive, die nicht wellig sein sollen – aber deswegen ist das Motiv noch lange nicht auf der Pattentasche des neuen Anzuges im Theater zum Ausgehen ausgeführt.

Und wie sieht es mit dem Thema Grundausrüstung aus? Was sollte sich ein Anfänger zum Nähen unbedingt zulegen – und wofür gibt man deiner Meinung nach eher unnötig Geld aus?

Für den Anfang reicht eine vernünftige Nähmaschine, eine gute Schere und eben einige Dinge der Grundausrüstung wie ein Handmaß und gute Stecknadeln. Ich kann immer nur empfehlen, nicht die billigste aller billigen Maschinen zu nehmen, egal ob Overlock oder Nähmaschine, denn ein Anfänger weiß im Zweifel gar nicht, was falsch ist und sucht den Fehler in seiner eigenen Bedienung, dabei ist vielleicht einfach nur die Maschine nicht in der Lage, dieser Anforderung zu genügen (zum Beispiel Jersey auf einer einfachsten Discounter-Nähmaschine).

Falls du noch dazu kommen solltest, auch mal selbst zu nähen – was nähst du dann? Und hast du vielleicht sogar Lieblingsschnitte?

Ich trage gern Kleider, gern auch mit Taschen, Kragen und Kapuze, oder Hoodies. Hier mag ich besonders De Trööje von Nautistore oder Julieta von Drei eMs.

Glaubst du, dass durch Corona die Nähszene wieder neue Impulse bekommt? Werden die Menschen wieder allgemein kreativer – vielleicht auch langfristig, über das Nähen von Behelfsmasken hinaus?

Ich glaube, die aktuelle Krise hat eine Menge „neue“ Leute angespült. Ein Teil wird bleiben, ein Teil wird weiterziehen. Da ein Teil bleiben wird, hat und wird die Szene auf jeden Fall neue Impulse erleben.  Kreativität ist eine beständige Entwicklung. Vor einigen Jahren, als es noch bunt-bunter-am buntesten sein durfte, pappte man auf 5 verschiedene Stoffe noch eine maximal bunte Stickerei. Diese war kaum zu sehen vor lauter Farbe. Aktuell ist es ein wenig gedeckter – aber ich bin sicher, die nächste Bewegung ist schon am Rollen.

Am Ende eine Frage in eigener Sache. Auf Sewunity.de bewerten die User Schnitte mit Sternen, fünf Sterne stellen die Höchstwertung dar. Wie viele Sterne würdest du Sewunity geben und warum?

Ich finde Sewunity sehr übersichtlich, wenig Ablenkung, und man kann gezielt finden, was man sucht. Trotzdem bietet die Seite die Möglichkeit, scheuklappenfrei auch andere Ideen zu bekommen, ohne überladen zu werden. Vom mir bekommt ihr die maximale Sternenzahl, ich mag die Seite sehr.

Am Ende auch für dich unser kleines Spiel. Wir stellen dir jeweils zwei Begriffe zur Auswahl – such dir doch bitte den aus, der am besten zu dir passt:


- Rollschneider oder Schere?
Beides gern zu seiner Zeit

- E-Book oder Papierschnitt? Lieber Papierschnitt, ich hasse kleben

- Webware oder Maschenware? Das ist absolut Projektabhängig

- Nähkurs oder Autodidakt? Autodidakt, bis man merkt, man kommt an die eigenen Grenzen, es geht nicht weiter oder der Verschleiss ist zu hoch. Wer allerdings schnell voran kommen möchte, sollte auf fachkundige Unterstützung setzen

- Overlock umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? Ich versteh die Frage nicht ;o)))- na klar uuuuuunbedingt umfädeln

- Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Beides ist toll. Im Stoffgeschäft es nicht nur ums Geld-Ausgeben, sondern auch um das Erlebnis dabei. Beim Onlineshopping brauch ich meinen sicheren Hafen nicht zu verlassen, sondern muss nur ein Päckchen entgegen nehmen

- Couch oder Laufschuhe?  30km in der Woche

- Kaffee oder Tee? Wenn ich mal wieder merke, dass ich mich schon abends auf meinen Kaffee am nächsten Morgen freue, steig ich mal ein paar Tage auf grünen Tee um.

Vielen Dank für das Interview und deine Zeit!