Trendmaterial Leinen - alles, was du beim Nähen wissen musst!

Leinen ist kein neues Material, aber es ist derzeit in aller Munde. Das kühlende und dennoch dichte Gewebe erlebt eine regelrechte Renaissance, zahlreiche Schnittmuster, die für Leinen ausgelegt sind, erscheinen neu. Was Leinen eigentlich ist und was es bei der Verarbeitung zu beachten gibt, verraten wir euch hier.

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Blühende Flachsblumen (Bild von byuppi auf pixabay)
Blühende Flachsblumen (Bild von byuppi auf pixabay)

Was ist Leinen überhaupt?

Leinen ist das älteste Material, das extra für Kleidung von Menschen hergestellt wurde. Die ältesten Funde von verarbeitetem und sogar gefärbtem Leinen sind zwischen 31.000 und 36.000 Jahre alt! Neben Wolle war dieses Material jahrtausendelang DER Grundstoff für Gewebe in Europa. Ägyptische Mumien sind in Binden aus Leinen gewickelt, griechische Krieger trugen sogar Rüstungen aus verstärktem Leinen. Die Römer schätzten die kühlenden Eigenschaften des Stoffes, und im Mittelalter entstanden aus der Flachsspinnerei sogar Geschichten von Mädchen, die Stroh zu  Gold spinnen konnten 😉.

Leinen ist eine pflanzliche Faser und wird aus den Stengeln der Flachsblume gewonnen. Darum wird auch das Material manchmal als Flachs bezeichnet. Der Begriff "Leinen" kommt vom altgriechischen "linon" und hat sich in unserem Sprachgebrauch auch in Wörtern wie "Leinwand" oder "Leintuch" niedergeschlagen. Für die Herstellung werden die Pflanzen nicht gemäht, sondern mitsamt der Wurzel ausgerauft - Abschneiden würde die Fasern zerstören. Dann müssen die Stengel geröstet und getrocknet werden, wodurch ihre Struktur aufbricht. Anschließend wird das Flachsstroh gebrochen (man  nennt das in der Fachsprache "hecheln"), vom Holzkern und anderen Verunreinigungen befreit und gekämmt. Dadurch entstehen lange, glatte Fasern. Diese können anschließend wie Wolle versponnen und dann verwoben werden. Klassischerweise werden Leinenfäden so verwoben, dass immer ein Kettfaden über einen Schussfaden kreuzt - man nennt das nicht umsonst "Leinwandbindung". Aber auch Muster- und Strukturweberei ist mit Leinen möglich. Gestrickt wird Leinen so gut wie gar nicht.

Die typischen Eigenschaften von Leinen

Reines  Leinen mit der typischen, leicht unregelmäßigen Struktur
Reines Leinen mit der typischen, leicht unregelmäßigen Struktur

Die Garnstruktur von Leinen ist oft sehr unregelmäßig. Das wirkt sich dann auch auf den Stoff aus -  reines Leinen erkennt man ziemlich gut an den kleinen "Knötchen" im Gewebe. Leinen ist atmungsaktiv, luftdurchlässig und darum im Sommer angenehm kühl, gleichzeit aber ziemlich blickdicht. Leinen ist sehr reißfest und absolut nicht elastisch. Das ist bei  der Verarbeitung von großem Vorteil, da sich der Stoff überhaupt nicht verzieht.

Leinen knittert stark, weil es sehr formstabil ist. Man sagt auch, dass Leinen "edel" knittert, viele Modebewusste bügeln Leinen ganz  bewusst nicht. Aber man  kann den Stoff gut heiß bügeln. Allerdings sollte man immer vor dem Vernähen vorwaschen, da Leinen tendenziell einläuft. Es gibt im Handel auch bereits vorgewaschene Leinenqualitäten, um bösen Überraschungen vorzubeugen.

Man kann das Material problemlos sogar heiß waschen, nur vom Trockner ist abzuraten. Trockene Hitze mag Leinen nicht! Und Leinen ist im Vergleich mit anderen Materialen empfindlich gegen Reibung. Das war mit ein Grund, warum im Verlauf der Industrialisierung die Baumwolle dem Leinen den Rang auch in Europa abgelaufen hat.

Wie verarbeitet man Leinen richtig?

Wie schon gesagt, solltet ihr Leinen vor dem Zuschnitt unbedingt vorwaschen. Leinen franst aufgrund der gerade Bindung stark aus. Um unliebsame Überraschungen zu  vermeiden, empfiehlt es sich, den Stoff vor dem Waschen  entlang der Schnittkanten zu versäubern. Dieser kleine  Aufwand lohnt sich unbedingt!

Beim Zuschnitt solltet ihr die Nahtzugabe ein wenig größer wählen, als ihr es gewöhnt seid. So könnt ihr besser auf der Nahtlinie arbeiten und ein Aufribbeln des Materials wird vermieden. Auch ist bei Leinen das Versäubern sehr wichtig. Wer hat, sollte die Overlock zum Versäubern nutzen  - allerdings rate ich davon ab, das unelastische Material nur mit der Overlock zusammenzunähen. Stabilere Nähte bekommt ihr, wenn ihr mit der Overlock versäubert und mit der normalen Nähmaschine mit einem Geradstich zusammennäht. 


Besonders sichere und saubere Nähte bei Leinen könnt ihr mit einer Kappnaht erzielen. Hier findet ihr eine Anleitung, wie ihr solche eine Naht macht.


Leinen ist wie gesagt sehr formstabil und macht darum beim Vernähen keine Probleme.  Durch die Stabilität kann man beim Leinen-Verarbeiten besonders saubere Ergebnisse erzielen, indem man Säume oder Falten sorgfältig vorbügelt. Dann spart man sich regelrecht das Feststecken! Universalnadeln in mittlerer Stärke eignen sich gut für normales Leinen; bei stabileren Stoffen und mehreren Lagen können Jeansnadeln hilfreich sein. Wenn ihr Leinen-Mischgewebe verarbeitet, solltet ihr euch an den Bedürfnissen des beigemischten Materials orientieren.

Habt ihr schon Schnittmuster umgesetzt, die speziell für Leinen entworfen wurden? Was sind euer Erfahrungen mit dem Material? Wir freuen  uns auf eure Kommentare, Fotos und Bewertungen!