Interview der Woche: Tanja von Meine Schnitte.de

Heute besucht uns Tanja im Nähcafé - das Gesicht hinter Meine Schnitte.de. Unter diesem Namen findet ihr vor allem Taschen, aber auch allerlei Praktisches rund um schönste Hobby der Welt. Wie die Handarbeitslehrerin zur  Designerin wurde, was es mit ihrer mobilen Nähschule auf sich hat und warum man am besten nie aufgibt, verrät sie im Interview.

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Tanja von Meine Schnitte.de
Tanja von Meine Schnitte.de

Sewunity: Hallo liebe Tanja, willkommen in unserem Nähcafé! Wenn du jetzt nicht gerade meine Fragen beantworten würdest – was würdest du gerade machen?

Tanja: Dann würde ich an einem E-Book arbeiten. Ich habe eine Liste mit vielen Ideen. Gefühlt hänge ich mit dem Schreiben von E-Books immer hinterher. Eine Idee hat man eben schnell – ein E-Book zu produzieren dauert jedoch seine Zeit.

Dein Label heißt „Meine Schnitte“. Ist Nähen und Schnitte erstellen schon immer „dein Ding“?

Ja, das war schon immer mein Ding. Das Schöne am Nähen ist ja, dass man sich Unikate erschaffen kann, die es so nicht zu kaufen gibt. Da man viel Zeit und Herzblut investiert, entstehen so Dinge, zu denen man einen ganz persönlichen Bezug entwickelt. Das ist eben der Unterschied zu etwas Gekauftem. Man erlebt wie ein Unikat entsteht, wie sich die Teile zusammenfügen und Innentaschen entstehen. Mein absoluter Lieblingsmoment bei Taschen mit Futter ist das Wenden am Schluss. Das fühlt sich an wie eine kleine Geburt – zuerst hat man diese unfertigen Teile, sieht die Nahtzugaben und dann entsteht daraus eine neue Tasche, bei der sich die Außentasche und das Futter zusammengefügt haben.

Seit wann „hängst du an der Nadel“? Erzähl doch mal, wie du zum Nähen gekommen bist.

Eigentlich seit ich denken kann. Es gibt ein Bild von mir, da sitze ich mit 2 Jahren vor der Nähmaschine meiner Mutter. Genäht habe ich damals aber noch nicht, da die Beine noch nicht das Pedal erreichten. Mit dem Nähen fing es dann im Grundschulalter an mit applizierten Kunstwerken und Täschchen und ging dann weiter im Jugendalter mit Kleidung. Später hatte ich das Fach Haushalt/Textil auf Lehramt studiert und viel für mich genäht. Dann startete ich damit, Nähkurse zu geben und belegte Kurse in Schnittkonstruktion.

 Und was war der Anlass für dich, eigene Schnitte zu entwerfen? Gibt es ein konkretes Ereignis für den Entschluss: Ich mach mich jetzt selbständig und verkaufe meine E-Books?

Ich habe noch mit klassischen Schnittmustern Nähen gelernt. Solche Anleitungen versteht man eigentlich nur, wenn man weiß, was gemeint ist. Ich war froh, in meiner Anfangsphase eine näherfahrene Mutter zu haben. Irgendwann tauchten dann in den Nähkursen die ersten bebilderten Schritt-für-Schritt-Anleitungen auf. Das fand ich eine tolle Idee und ich dachte mir: “Das mache ich auch!” Zu einem E-Book führte mein erster Anlauf aber nicht. Die Bilder liegen heute noch auf meinem PC. Ich hatte das Fotografieren, Digitalisieren des Schnittmusters, Dokumentieren und Anleitungschreiben unterschätzt. Ich habe gemerkt, dass sich ein E-Book nicht so leicht nebenher schreibt. Da braucht man schon Zeit am Stück, um in eine Sache eingedacht zu bleiben, sonst fängt man immer wieder von vorne an. Als letztes Jahr mit den Coronaverordnungen meine Nähkurse wegfielen, entstand plötzlich ein Freiraum, um das E-Book-Projekt wieder aufzugreifen. Dieses Mal mit Erfolg.

Man soll so etwas ja nicht fragen – aber hast du einen Lieblingsschnitt?

Kurt und Kurtchen
Kurt und Kurtchen

Klar gibt es unter meinen Schnitten auch besondere Lieblingsschnitte. Ich mag zum Beispiel meinen Rolltop-Taschen-Stil mit großen Klemmschnallen und breitem Gurtband sehr. Neuerdings sind aber die Umhängetaschen Kurt und Kurtchen meine absoluten Taschenlieblinge. “Kurt” darf mit aus dem Haus, wenn ich eine große Mappe dabei habe, “Kurtchen” geht immer dann mit mir aus, wenn ich nur meinen Geldbeutel und das Nötigste benötige.

Was ist die größte Herausforderung daran, wenn du ein neues E-Book entwickelst?

Das Fertigstellen ist manchmal eine kleine Herausforderung, vor allem wenn das Arbeiten an einem E-Book unterbrochen wurde. Dann wirkt es manchmal so viel reizvoller für eine neue Idee einen Schnitt zu entwickeln und diesen zu nähen, als den letzten Feinschliff beim angefangenen E-Book zu machen.

Und woher bekommst du deine Ideen?

Ich selbst liebe Taschen und irgendwie kann man nie genug davon haben. Es gibt ja auch unterschiedliche Einsatzgebiete und da müssen Taschen unterschiedlich groß sein. Zuerst ist mein Rolltop-Rucksack Peter entstanden, dann dachte ich mir, dass es schön wäre, auch eine Umhängetasche in diesem Stil zu haben. Darauf folgten mehrere Umhängetaschen in unterschiedlichen Größen.

Viele Ideen entstehen, weil ich selbst im Alltag den Bedarf sehe, wie bei meinem Fahrradsattelwärmer oder diversen Organizern und Täschchen. Manchmal sind besondere Anlässe der Ursprung für Ideen, wie zum Beispiel die anstehende Geburt bei einer Freundin. Hier wollte ich ein besonderes Geschenk zur Geburt nähen. Da sie mir ganz begeistert ein Babyspielzeug mit Knisterfolie zeigte und ich Elefanten liebe, nähte ich ihr zwei Elefanten in unterschiedlichen Größen mit Knisterfolie in den Ohren. Die beiden wurden so süß, dass ich daraus direkt eine Anleitung schrieb. Oft entstehen neue Ideen aber auch beim Nähen. So folgten auf die beiden Elefanten zwei Giraffen im gleichen Stil.

Nun ist E-Books zu erstellen ja nicht deine einzige Beschäftigung mit dem Nähen, sondern du gibst auch Kurse und betreibst eine mobile Nähschule. Wie ist es dann dazu gekommen?

Auf zur Nähschule!
Auf zur Nähschule!

Zuerst habe ich Kurse an verschiedenen Volkshochschulen gegeben. Irgendwann hatte ich dann aber Lust, auch hier mehr “mein Ding” und meine Ideen umzusetzen. Daraus ist dann meine mobile Nähschule entstanden. Bei Nähkursen ist mir zum einen aufgefallen, dass es begeisterte Nähanfängerinnen gibt, die so viele Fragen haben, die in einem gewöhnlichen Kurs gar nicht beantwortet werden können. Zum anderen ist mir aufgefallen, dass Nähanfänger manchmal andere Freundinnen vom neuen Hobby gleich mitbegeistern. Und da dachte ich mir, wenn so eine Frauen-Freundeskreis-Gruppe beschließt, Nähen zu lernen und wenn eine davon noch ein großes Esszimmer hat, dann braucht es nur noch mich und der Nähkurs steht. Ich mag an meinen mobilen Nähkursen vor allem die persönliche Note. Das ist eine ganz besondere Atmosphäre bei Menschen zu Hause einen Nähkurs zu geben, die sich schon kennen oder eben bei einem Einzelnähkurs ganz individuell auf besondere Wünsche und Fragen eingehen zu können.

Ich gebe hier in Karlsruhe aber auch offene Nähkurse, bei denen selbstgewählte Nähprojekte umgesetzt werden können. Wer gleich ein ganzes Wochenende nähen möchte, kann mit mir auf ein Nähkurs-Wochenende auf den Kohlhof bei Heidelberg fahren. Dort kann man sich ausgiebig seinem Hobby widmen und muss sich um nichts anderes kümmern. Das ist immer eine besonders kreative Stimmung, wenn ein Wochenende zusammen genäht wird und man sich bei leckerem Essen über das Nähen austauschen kann.

Ende August ist es wieder so weit und ich freue mich jetzt schon darauf!

Was ist deiner Meinung nach der besondere Reiz an Nähkursen?

Es ist eine Mischung aus steiler Lernkurve, Inspiration und Austausch. Es gibt zwar mittlerweile viele Erklärvideos und Online-Nähkurse. Nähkurse kann das zum Glück nicht ersetzen. Wenn die Nähmaschine Probleme macht, eine knifflige Stelle zusammengesteckt werden muss oder eine Nähpanne passiert, dann ist individuelle Hilfe vor Ort gefragt. Nähkurse sind aber so viel mehr als nur Nähen lernen. Es ist auch eine Art dieses doch eher einsame Hobby mit anderen zu teilen, neue Ideen zu bekommen und sich auszutauschen. Spannend finde ich immer wieder, dass bei einem Nähkurs ganz unterschiedliche Menschen zusammen kommen. Da sitzt schon mal die werdende Oma, die für ihre Enkel nähen möchte, neben zwei 30-Jährigen, einem älteren Herrn, der ein neues Hobby sucht, und einer Mutter mit Tochter, die zusammen einen Nähkurs machen. Menschen, die sich so im Alltag vielleicht nie begegnen würden. Durch das Interesse an den Nähvorhaben der anderen, kommen die Teilnehmer/innen schnell ins Gespräch. So wird aus vorher Unbekannten schnell eine vertraute Gruppe. Es wird viel geredet und gelacht. Das ist immer eine tolle Atmosphäre.

Du bist schon seit Jahren in dem Thema drin. Erinnerst du dich auch noch an eine richtige „Nähpanne“? Hat schon einmal etwas überhaupt nicht geklappt?

Dass ich ein Nähvorhaben komplett aufgegeben habe, gab es noch nie. Ich arbeite nach dem Motto “Was nicht passt, wird passend gemacht!” Ich bin ein großer Perfektionist. Vor allem passende Ärmel haben es mir angetan. Es gab schon einige gekaufte Schnittmuster, bei denen ich mit der Ärmelkonstruktion absolut nicht zufrieden war. Dann fängt das Trennen und Abändern an. Da kommt dann der große Tüftler bei mir zum Vorschein. Das dauert und braucht Nerven, aber um so schöner ist es dann, wenn alles passt.

Welchen Tipp würdest du einem Näh-Anfänger mit auf den Weg geben? Was ist für dich das Wichtigste beim Nähen?

Das Wichtigste beim Nähen ist die Freude daran, etwas selbst zu erschaffen. Wichtig ist sich selbst zu kennen. Ungeduldigen Nähanfänger/innen mit weniger Durchhaltevermögen empfehle ich zu Beginn kleinere Nähprojekte, um schnelle Erfolge zu haben. Nähanfänger/innen, die Herausforderungen lieben, können sich durchaus an etwas schwierigere Lieblingsprojekte wagen. Schließlich muss man irgendwann seinen ersten Reißverschluss einnähen. Wie soll man es sonst lernen?

Und woran arbeitest du zurzeit? Hast du schon konkrete Pläne, auf was wir uns als nächstes freuen dürfen?

Rolltop-Rucksack Peter
Rolltop-Rucksack Peter

Mein Rolltop-Rucksack Peter wird demnächst noch einen kleinen Bruder bekommen.

Zum Abschluss noch eine Frage in eigener Sache: Auf Sewunity können ja Schnittmuster nach einem Fünf-Sterne-Prinzip bewertet werden. Wie viele Sterne würdest du denn Sewunity geben, und warum?

Ich finde die Idee Schnittmuster zu bewerten und genähte Werke zu teilen super. So kann man sich inspirieren lassen. Sewunity dürfte jedoch noch etwas bekannter werden, daher vergebe ich 4 Sterne.

Und ein kleines Spielchen wollen wir auch noch mit dir spielen. Ich nenne dir immer zwei Begriffe und du sagst ganz spontan, was für dich eher zutrifft:

- Rollschneider oder Schere? Schere

- E-Book oder Papierschnitt? Bei wenigen Seiten bevorzuge ich E-Books. Bei vielen Schnittmuster-Seiten haben Papierschnittmuster definitiv den Vorzug. Man möchte ja nicht sein halbes Leben mit Kleben verbringen!

- Webware oder Maschenware? Webware

- Overlock umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? Umfädeln, bzw. Greifer-Fäden durchziehen

- Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Definitiv Stoffgeschäft. Stoff muss man anfassen können und für die richtige Stoffkombination nebeneinander legen.

- Couch oder Laufschuhe? Irgendetwas dazwischen.

- Kaffee oder Tee? Tee

Vielen Dank für deinen Besuch!