Interview der Woche: Renate von Mondbresal

Eigentlich hatte sie nie vor, selbst Anleitungen zu schreiben, doch dann kam alles anders: Wer nach E-Books zum Nähen eines Dirndls und anderer Mode im Trachtenstyle sucht, kommt an Renate von Mondbresal nicht vorbei. Sie sagt: "Jeder Hobbynäher ist in der Lage, ein Dirndl zu nähen" und verrät, in welchen Details die besonderen Herausforderungen liegen.
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Eigentlich hatte sie nie vor, selbst Anleitungen zu schreiben, doch dann kam alles anders: Wer nach E-Books zum Nähen eines Dirndls und anderer Mode im Trachtenstyle sucht, kommt an Renate von Mondbresal nicht vorbei. Sie sagt: "Jeder Hobbynäher ist in der Lage, ein Dirndl zu nähen" und verrät, in welchen Details die besonderen Herausforderungen liegen.

MondbresalSewunity: Liebe Renate, wir heißen dich im Sewunity-Nähcafe herzlich willkommen – schön, dass du dir Zeit für uns nimmst. Beginnen wir doch gleich mal mit der Frage, die du wahrscheinlich ständig beantworten musst – nämlich der nach deinem Namen. Woher kommt der Name Mondbresal und was bedeutet er?

Renate: Erst einmal vielen Dank für die Intervieweinladung! Mondbresal ist bayerisch und und ein "Bresal" ist ein Brösel ... also ein Brösel vom Mond. Den Namen habe ich mir als Kindergartenkind ausgedacht, fand ihn so schön. Mein Vater hat mich oft so genannt. Als es dann so richtig im Internet losging, fiel mir mein alter Kindernickname wieder ein - und jetzt bin ich das Mondbresal.

Wie bist du zum Nähen gekommen – und wie entstand die Idee, selber Schnitte zu entwerfen und zu verkaufen?

Mein Vater war Schneidermeister und hatte eine Firma für Dirndl und Trachten. Die Werkstatt war im Haus und ich habe auch schon als Kind in der Werkstatt oder auch bei meiner im Haus lebenden Oma genäht. Viele Jahre war das Nähen aber kein Thema mehr für mich, außer Vorhängen natürlich, aber als ich vor 12 Jahren wegen Multipler Sklerose verrentet wurde, habe ich die Näherei als Hobby wiederentdeckt. Selber Schnitte machen wollte ich aber nie und ich wäre auch nie auf die Idee gekommen. Aber ein "Dirndl Wip" in meinem Blog war wohl schuld. Diese Blogbeiträge wurden so viel gelesen und immer wieder kam der Wunsch nach einem leicht zu nähenden Kinderdirndl. Mein erstes Dirndlschnittmuster, das "Kinderdirndl Vroni", hat mich viel Zeit und Energie gekostet. Ich wollte den Spagat zwischen einem traditionellen Dirndl und unseren modernen Nähtechniken schaffen, wollte zeigen, dass jeder Hobbynäher in der Lage ist, ein Dirndl zu nähen. Und wenn ich die Reaktionen so ansehe, ist mir das geglückt. Bei allen anderen Schnittmustern kam der Anstoß fast immer von außen oder ich habe die Schnittmusterwünsche meiner Familie erfüllt wie bei dem Nigglhemd oder den Outdoorpullis.

In unserer aktuellen Nähkästchen-Ausgabe dreht sich alles rund um das Thema Tracht. Dirndl und Lederhosen sind deine Steckenpferde, wer nach passenden Schnitten sucht, kommt an deinen E-Books nicht vorbei. Gleichzeitig gilt das Nähen eines Dirndls als absolute Königsdisziplin. Was sind die besonderen Herausforderungen bei so einem Projekt?

Dirndl müssen sitzen, also werden sie körpernah genäht. Jede Figur ist anders und so muss das Dirndloberteil oft etwas angepasst werden. Vor allem bei den Damen. Meine Empfehlung für ein gut passendes Dirndloberteil: Erst mal ein sogenanntes "Nesselmodell" nähen und so lange anpassen, bis es wirklich sitzt. Dieses Nesseloberteil kann auseinandergenommen und als Schnittmuster benutzt werden.

Beim Nähen eines Dirndls führen am Ende vermutlich tausende Wege zum Ziel. Es gibt jedoch einen klassischen Nähweg – und die moderne Variante mit durchgängigem Innenfutter. Kannst du uns beschreiben, worin der Unterschied zwischen beiden Varianten liegt und nach welchem Prinzip die Dirndl in deinen E-Books genäht werden?

Mein Vater, der Dirndlschneidermeister konnte alles: Maßgefertigte, perfekt sitzende kunstvolle Mieder in Handarbeit, mit mehreren Anproben, aber auch Konfektion für den Verkauf. So groß ist der Unterschied aber nicht. Bei meinen Dirndlschnittmustern sind die Oberteile immer gefüttert und werden verstürzt.

Mal ganz unabhängig vom Selbernähen: Gerade, wenn man zum Beispiel auf dem Münchner Oktoberfest unterwegs ist, sieht man ja viele Kleider, die von sich behaupten, ein Dirndl zu sein, aber nicht viel mit einem Original zu tun haben. Wie kann man schon auf den ersten Blick ein echtes, klassisches Dirndl erkennen?

Ich bin im Chiemgau im Dunstkreis von Trachtenverein und Volksmusik - ich habe selber gespielt - aufgewachsen und habe ein klares Bild, wie ein Dirndl für mich sein muss. Klassischer Schnitt wie meine Dirndl-E-Books, Rock mit sehr viel Weite und passende Stoffe. Aber ich bin sehr schmerzfrei, wie andere ihre Dirndl tragen. Soll doch jeder das Dirndl so gestalten, wie er möchte und es ihm gefällt. Auch Dirndl waren zu jeder Zeit der Mode unterworfen. Eines ist sicher, ein Dirndl ist ein sehr weibliches Kleidungsstück und jede Frau, egal welche Figur, ist immer gut damit angezogen - wenn das Modell nicht gerade ein Billigdiscounterkleid ist.

Was empfiehlst du jemanden, der zum ersten Mal ein Dirndl nähen möchte – welche Vorkenntnisse sollten dafür vorhanden sein?

Einfache Grundkenntnisse, Zuschneiden und Nähen, zum Beispiel wissen, was eine Nahtzugabe ist ... solche Sachen. Ich weiß ja aus den Feedbacks, dass auch Nähanfänger es geschafft haben, ein Dirndl zu nähen. Und man wächst ja an seinen Aufgaben. Immerhin gibt es zu jedem Schritt Bild und Text.

Auch das Thema Trachtenstoff ist unendlich und wirft viele Fragen auf. Richtige Trachtenstoffe kosten im Fachhandel gerne mal zwischen 40 und 60 Euro der Meter, was viele Hobby-Näher abschreckt. Was macht denn einen guten Trachtenstoff aus und was sollte man bei der Wahl eines Stoffes beachten?

Ich selber habe ja das Glück, noch immer einen Fundus an Trachtenstoffen von meinem Vater zu haben. Das sind hochwertige Stoffe mit traditionellen Drucken. Aber es muss gar nicht teurer Originaltrachtenstoff sein. Ein Leinenoberteil, gepunkteter oder geblümter Baumwollstoff für den Rock und ein leichte Batistschürze - und das Dirndl kostet nicht viel Geld. Wichtig ist, dass der Stoff für das Oberteil etwas fester ist, dagegen der Rockstoff nicht zu dick ist. Bei meiner Kollegin Renate Etschel von "Laura und Ben" gibt es sogar liebevoll zusammengestellte, fertig geschnürte Dirndlstoffpakete.

Du entwirfst aber ja nicht nur Dirndl-Schnitte – auch Trachtenhemden und Lederhosen gehören zu deinem Angebot, beziehungsweise sind gerade aktuell ganz frisch erschienen: Eine Anleitung für den Schnitt "Beppi", eine vegane Trachtenlederhose für Kinder. Wie kann denn Leder überhaupt vegan sein und was ist das Besondere an diesem Schnitt?

Grundsätzlich ist Leder niemlas vegan, es ist ein tierisches Produkt.Aber unter einer Lederhose verstehen wir hier in Bayern die Form und Art einer Hose und die wurde seit dem 18. Jahrhundert eben aus Leder gefertigt. Da ich ja mit meinem Ebooks immer den Trachtenbereich abgedeckt habe, war natürlich irgendwann der Wunsch nach einem "Lederhosen-E-Book" da. Ich habe mich ziemlich lange damit beschäftigt und bin dann doch bei der "veganen" Lederhose gelandet. Dafür gibt es viele Gründe: Einmal ist Leder teuer und nicht so einfach zu nähen und zu verarbeiten wie Webware und kann auch nicht gewaschen werden. Viele wollen auch grundsätzlich keine tierischen Produkte verarbeiten. Und wer will sein Kind schon in Giftstoffen auf der Haut rumlaufen lassen, denn die meisten Leder sind mit Chrom gegerbt. Ich habe versucht, die Charakteristik einer klassischen Lederhose auf Webware zu übertragen. Mit dem richtige Material wie Moleskin - sehr fester Baumwollstoff mit angerauter Oberfläche - , Velveton, Cord oder Kunstleder und mit Paspeln ist so eine vegane Lederhose kaum von einer aus Leder zu unterscheiden.

Ist eine Lederhose eine genauso hohe Herausforderung wie ein Dirndl? In welchen Details steckt denn hier der Teufel?

Paspelnähen ist hier die Herausforderung. Auch das Vorderteil mit dem Latz ist nicht ganz einfach. Aber man muss sich ja nur Schritt für Schritt durch die Anleitung arbeiten. Gerade, weil Tracht oft so komplex zu nähen ist, ist es wichtig, dass die dazugehörige Anleitung sehr detailliert und anschaulich ist.

Was ist für dich besonders wichtig, wenn du eine Anleitung schreibst? Was macht für dich das perfekte E-Book aus?

Ich glaube nicht, dass es das perfekte E-Book gibt, denn die Vorraussetzungen sind sehr unterschiedlich. Ich überlege immer, was ist unbedingt notwendig an Bildern und Text oder wo wird es zu viel und unübersichtlich. Eine große Hilfe sind da die Probenäher und ihr Feedback.

Wenn man Anleitungen für Dirndl schreibt, muss man ja auch viel ausprobieren – und hat vermutlich selbst so einen ganzen Schrank voller Dirndl. Verrätst du uns, wie viele selbstgenähte Dirndl du besitzt – und welches dein Lieblingsdirndl ist? Ein klassischer Schnitt? Oder etwas ganz anderes?

Ich habe wirklich einen Schrank voller Dirndl. Keine Ahnung, wie viele das sind, aber die meisten davon hat mein Vater genäht. Mein Lieblingsdirndl ist immer noch ein Dirndl aus Satin und echter Seide, das ich zu meiner Hochzeit getragen habe. Das Oberteil ist ein Schnürmieder, was den Vorteil hat, dass ich es meiner wechselnden Figur anpassen kann. Dieses Dirndl habe ich schon so viele Jahre und ich ziehe es immer noch zu besonderen Gelegenheiten an.

Bestimmt arbeitest du gedanklich schon wieder an neuen Projekten. Was sind deine nächsten Pläne, auf welche Art von Anleitungen dürfen wir uns freuen?

Die vegane Lederhose für Damen, der Wunsch meiner Probenäher, ist schon in Arbeit. Für Herren überlege ich noch, werde ich aber nicht daran vorbei kommen. Mein Mann würde niemals eine Lederhose anziehen, die nicht aus Hirschleder gefertigt ist, aber meine Söhne fänden eine aus Hanf, Moleskin oder Leinen ganz toll. Ich denke auch darüber nach, die Dirndl in großen Größen heraus zu bringen, da kommen so viele Anfragen, aber ich muss mir dafür noch Modelle suchen. Die meisten Schnittmuster entstehen bei mir aber auf Wunsch eines Familienmitglieds wie das Hemd Niggl für meinen Sohn Dominik (der übrigens auch näht), oder der Outdoorpulli Gregor für meinen Mann Gregor. Mal sehen, was sich ergibt. Mein Mann will da immer so eine bestimmte Leinenhose und ich finde nicht das richtige Schnittmuster ...

Welches sind denn deine Lieblingsschnitte – abgesehen natürlich von deinen eigenen und ganz unabhängig vom Thema Tracht?

Ich mag Lotty von ki-ba-doo für die ganze Familie sehr gerne und habe es oft genäht und für mich liebe ich noch Noelia und Mamacita von Bienvenido Colorido. Ich bin bei beiden Designerinnen Probenäherin und wie so viele andere, schaffe ich es kaum, noch andere Schnitte zu nähen.

Jetzt sind wir schon fast am Ende angekommen – natürlich nicht, ohne auch noch eine Frage in eigener Sache zu stellen. Bei Sewunity bewerten unsere User Schnittmuster mit Sternen. Fünf Sterne ist die Bestnote. Wie viele Sterne würdest du Sewunity geben – und warum?

So eine tolle Seite und wenn ich mal wieder mehr Zeit habe, muss ich mich dort auch mehr einbringen. Aber von mir gibt es fünf Sterne!

Am Ende freuen wir uns nun noch auf ein kleines Spiel mit dir. Wir stellen wir jeweils zwei Begriffe zur Auswahl – wähl doch bitte den Begriff aus, der am besten zu dir passt:

- Rollschneider oder Schere? Beides

- E-Book oder Papierschnitt? E-Book

- Webware oder Maschenware? Alles was das Stoffregal hergibt

- Nähkurs oder Autodidakt? Selbermacher

- Overlock umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? gnadenloser Umfädler

- Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Beides, aber mehr online

- Couch oder Laufschuhe? Laufschuhe ... beim Laufen denke ich über E-Books und Nähschritte nach

- Kaffee oder Tee? Kaffee

Vielen Dank für deine Antworten!