Abnäher nähen - wo, wie und warum?

Wenn man jemanden, der näht, fragt, wer der beste Freund eines Nähers ist, kommt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Antwort: "Der Nahttrenner!" Das mag ja sein, aber heute möchte ich euch jemanden vorstellen, der das Potenzial hat, dein neuer bester Freund zu werden - zumindest, wenn deine Figur etwas von der Norm der Schneiderpuppe abweicht. Um wen es sich dabei handelt? Das geheimnisvolle Wesen trägt den Namen "Abnäher". Was das ist, wie man damit umgeht und was er für dich tun kann, haben wir im Folgenden zusammengestellt.
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Abnäher Wenn man jemanden, der näht, fragt, wer der beste Freund eines Nähers ist, kommt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Antwort: "Der Nahttrenner!" Das mag ja sein, aber heute möchte ich euch jemanden vorstellen, der das Potenzial hat, dein neuer bester Freund zu werden - zumindest, wenn deine Figur etwas von der Norm der Schneiderpuppe abweicht. Um wen es sich dabei handelt? Das geheimnisvolle Wesen trägt den Namen "Abnäher". Was das ist, wie man damit umgeht und was er für dich tun kann, haben wir im Folgenden zusammengestellt.

Was ist ein Abnäher überhaupt?

Ein Abnäher ist zuallererst einmal ein Hilfsmittel beim Nähen, das es ermöglicht, eine an sich flache Stoffbahn an eine Kurve am Körper anzupassen. Der bekannteste ist mit Sicherheit der Brustabnäher. Viele Schnitte für Damenoberteile, vor allem aus Webware, haben einen solchen im Schnitt bereits integriert, denn ein weiblicher Oberkörper ist nun mal meistens nicht flach. Meistens kommt ein Brustabnäher von der Seitennaht her und zeigt zur Brustspitze hin. Es gibt aber auch die Variante, dass der Abnäher von der Ärmelnaht her kommt, also von oben, oder dass er in einer Passennaht oder eine Wiener Naht integriert ist. Ein klassischer Brustabnäher hat dabei eine dreieickige Form - das heißt, dass ein Stoffdreieck abgenäht wird, sodass nachher die Stoffstrecke an der Seite kürzer ist als im Bereich der Abnäherspitze. Und genau so entsteht der Effekt des Abnähers, der so dem Stoff erlaubt, der Wölbung der Brust zu folgen.

Genau dasselbe Prinzip verfolgen Hüftabnäher. Diese werden bei schmalen Hosen oder Röcken eingesetzt, um die Kurve von der Taille hin zum Gesäß und zur Hüfte zu definieren. Dabei ist das Dreieck so eingesetzt, dass die Spitze zur stärksten Stelle der Hüfte hin zeigt. Sie sind damit eine Alternative zur Bundfalte oder zu den abgenähten Kellerfalten bei Chinohosen und ermöglichen eine schmaleren Verlauf des Beins bzw. schmeicheln den Rock um die Hüfte.

Knieabnäher dagegen kennt man vor allem von Kinderhosen. Auch hier ist die Grundlage dieselbe: Ein schmales Dreieck (bei Kniabnähern meist mehrere) wird von der Seitennaht her abgenäht, erzeugt dadurch eine Kurve in der Mitte des Stoffteils und schafft so in diesem Fall mehr Bewegungsfreiheit für die Beugung des Knies.

Und dann gibt es da noch die Taillenabnäher. Wie der Name schon sagt, sind sie dazu da, die Kurve der Taille zu betonen. Nun ist es ja aber so, dass über die Taille nur selten eine Naht läuft, zumindest nicht bei Oberteilen. Darum werden Taillenabnäher in der Mitte des Stoffs platziert und sind darum auch nicht dreieckig, sondern rautenförmig. Die breiteste Stelle der Taillenabnäher sitzt dabei auf Taillenhöhe, die Spitzen zeigen zur Brustspitze und zur Hüfte hin. Taillenabnäher kommen wie alle Abnäher mindestens zu zweit vor, da der menschliche Körper ja weitestgehend symmetrisch ist.

Wie nähe ich einen Abnäher?

Abnäher angezeichnet

Bei Abnähern kommt es auf zwei Dinge an: Man muss exakt auf der richtigen Linie nähen und man muss gut bügeln (ja, ich weiß ...). Um die Linie vom Schnittmuster auf den Stoff zu übertragen, gibt es einen kleinen Trick: Man zeichnet den Abnäher auf dem Papierschnitt mit Schneiderkreide nach, legt das Schnittmuster passgenau auf die linke Seite des zugeschnittenen Stoffteils und klopft dann sanft auf das Papier. Dadurch überträgt sich die Kreide vom Papier auf den Stoff und man hat einen exakt angezeichneten Abnäher. Als Hilfslinie kann man sich auch noch mithilfe eines Lineals die Mittellinie des Abnähers einzeichnen, sodass man sieht, wo genau man den Stoff falten muss.

Abnäher fertig

Nun also exakt mittig falten, stecken und nähen. Man näht einen Abnäher immer von der Seite zur Spitze hin. Das gilt auch für Taillenabnäher! Hier muss man dann von der Mitte her erst nach oben, dann nach unten nähen. Den Nahtanfang könnt ihr mit Rückstichen verriegeln, bei der Spitze darf man das auf keinen Fall machen. Hier muss man darauf achten, die Naht "auszuschleichen". Wenn die Spitze des Abnähers zu breit gerät, entstehen hinterher unschöne "Tüten". Dem kann man eben vorbeugen, indem man der vorgezeichneten Linie exakt folgt und auch nach Ende des Stoffes noch vier bis fünf Stiche näht. Wer einen automatischen Fadenabschneider hat, sollte diesen für die Abnäher ausschalten. Lasst die Fäden etwa 15 cm lang überstehen und verknotet sie anschließend. Niemals wird der Stoff des Abnähers übrigens abgeschnitten! Jetzt geht es ans Bügeln: Zuerst wird NUR der Abnäher gebügelt. Danach werden Brustabnäher nach unten, Taillen- und Hüftabnäher zur Körpermitte hin geklappt und sorgfältig entlang der Naht gebügelt.

Hier gibt es übrigens ein weiteres kleines Helferlein, dass das genaue Ausbügeln eines Abnähers erleichtert: ein Bügelkissen. Denn schließlich hat man ja nun dem Kleidungsstück eine gewölbte Form verpasst, die man ja nicht wieder plattbügeln will! Wenn man kein Bügelkissen (auch Bügelei genannt) zur Hand hat, tut es aber auch ein fest zusammengerolltes Handtuch.

Wann sitzt der Abnäher richtig?

Ein Abnäher formt ein Kleidunggstück natürlich nur dann dem Körper entsprechend, wenn die Abnäher an der richtigen Stelle sitzen. Das bedeutet, dass die Spitze eines Brustabnähers auch wirklich auf die Brustspitze zeigen sollte, die breiteste Stelle eines Taillenabnähers genau auf der Taille sitzen muss und ein Hüftabnäher auf der umfangreichstens Stelle des Gesäßes endet. Wenn dem nicht so ist, muss der Abnäher verlegt oder verlängert werden muss. Taillenabnäher sollten dabei aber nicht nach oben oder unten verschoben werden, sondern die Spitzpunkte bleiben gleich. Lediglich die Mitte muss verschoben werden.

Wenn ein Brustabnäher nicht genug oder zu viel Weite für die Brust schafft, sollte man eine FBA machen. Wenn "nur" die Spitzenposition nicht stimmt, braucht man ein wenig Geometrie: Markiert an eurem Schnittmuster euren Brustpunkt. Dann zieht ihr euch ausgehend von eurem Brustpunkt die Abnäherlinie genau parallel zu den vorhandenen Abnäherlinien. So wird der Abnäher nur verschoben, aber nicht weiter verändert.

Und wenn mein Schnittmuster gar keinen Abnäher hat?

Nun, natürlich kann man auch jedes Schnittmuster mit einem Abnäher versehen, um das Kleidungsstück an den eigenen Körper anzupassen. Dazu braucht man für Brust- und Taillenabnäher nicht viel mehr als ein Maßband, eine Papierschere und unsere Anleitung für eine FBA. Für Hüftabnäher geht ihr im Prinzip gleich vor: Ihr messt euren Taillenumfang und vergleicht ihn mit der Taillenweite des Schnitts. Die Differenz wird durch 4 geteilt (wenn ihr vier Hüftabnäher einbaut, also vorne und hinten je links und rechts). Das Ergebnis ist nun die Breite jedes Abnähers. Zeichnet auf eurem Schnitt eure Hüftlinie ein, und jeweils von der Mitte des Schnittteils ein bisschen nach außen kommt nun ein Abnäherdreieck hin. Die Breite des Keildreiecks ist der ausgerechnete Betrag und die Spitze liegt auf der Hüftlinie. So passt eure Hose oder euer Rock am Ende ganz genau an euren Po smiley

Ich hoffe, wir konnten euch die wunderbare Welt der Abnäher ein bisschen näher bringen. Wie steht ihr zum Thema Abnäher - bester Freund, schöner Fremder oder jemand, mit dem ihr lieber nichts zu tun habt? Wir freuen uns auf eure Kommentare!