Wer seinen Sohn oder seinen Mann benähen will und nach schicken Schnitten sucht, der stolpert ziemlich schnell über ein Label, das schon vom Namen her eindeutig positioniert ist: Rockerbuben. Der kreative Kopf hinter den Rockerbuben ist aber eine Frau - Alex benäht ihren Mann und ihre Söhne und sorgt dafür, dass auch andere Mütter und Frauen (und natürlich Väter und Männer) das tun können. Sie hat uns im Nähcafé besucht und erzählt uns von ihren Anfängen, dem Werdegang eines Rockerbubenschnittes und worauf sie nicht mehr verzichten möchte.
Sewunity: Liebe Alex, herzlich Willkommen im Sewunity-Herbst-Nähcafé! Schön, dass du da bist. Wie war denn dein Näh-Sommer?
Alexandra: Danke für die Einladung. Mein Näh-Sommer? Erst einmal ziemlich nass Ansonsten war es wie immer sehr ruhig im Sommer. Bei 30 Grad sind die meisten lieber draußen unterwegs als im Nähzimmer, deswegen nutze ich die Zeit, um mich neu zu sammeln, Ideen, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, zu sortieren und den Rest des Jahres zu planen.
An deinem Label „Rockerbuben“ kommt man einfach nicht vorbei, wenn man für Männer und/oder Jungs nähen will. Du selbst hast ja einen Drei-Männer-Haushalt. Hast du deswegen angefangen, selbst Schnitte zu entwerfen – weil es einfach zu wenig Jungs-Sachen auf dem Markt gibt?
Inzwischen ist es ja viel besser geworden. 2013 waren meine Jungs noch so klein, dass ich abends zum einschlafen neben ihrem Bett sitzen musste, und da hatte ich viel Zeit zum Nachdenken im Dunkeln Irgendwann, nach viel frustrierender Suche, habe ich mir überlegt … dann machst du es eben selber. Parallel dazu habe ich eine Facebook-Gruppe gegründet, die sich mit dem Nähen für Jungs und Männer beschäftigt, die ist ziemlich schnell gewachsen, denn nicht nur mir ging es so, dass es wahnsinnig viele tolle Stoffe und Schnitte für Mädels gibt, Männer aber selten mit Rüschen zu beeindrucken sind.
Wie bist du überhaupt zum Nähen gekommen? Wann wurdest du vom Näh-Virus gepackt?
Wie so viele habe ich mit der Geburt meines ersten Sohnes angefangen. Die ersten Schritte waren sehr holperig und die Stoffauswahl war bei weitem nicht so toll wie heute. Nach einer Pause habe ich dann 2012 noch einmal neu gestartet, und seitdem konnte ich nicht mehr aufhören.
Weißt du auch noch, was das allererste Teil war, das du selbst genäht hast?
Allerdings. Ich hatte eine Mütze aus Jersey, die mir so gut gefiel, da habe ich dann einfach ein eigenes Schnittmuster gemalt und mal losgenäht. Weil ich keine Ahnung hatte, wie das ging, habe ich ernsthaft die Unterfadenspule mit Hand aufgewickelt Schlussendlich ist es ein schiefes Etwas geworden, bei dem der Geradstich beim ersten Aufsetzen auf den Kinderkopf (ich wusste ja noch nicht, dass es eine Nahtzugabe gibt) zerplatzte. Sagen wir mal so, ich habe inzwischen dazugelernt.
Und irgendwann wurde mehr daraus. Seit 2014 bekommt man unter „Rockerbuben“ coole Outfits für Jungs und Männer – aber seit einiger Zeit auch für Mädels. Wie entsteht so ein echter Rockerbuben-Schnitt?
Meist ziemlich eigennützig. Ich stehe zum Beispiel vor dem Kleiderschrank meines Sohnes und denke: Wir brauchen neue Pullover. So entstand unser erstes Pullover-Schnittmuster. Ich gehe immer mit offenen Augen durch die Straßen und gucke mir ganz viele Leute an, was ist Trend, was gefällt mir und vor allem, welche Elemente könnte man kombinieren? Und dann spielen natürlich auch meine Kunden eine große Rolle, was gefällt ihnen, was kommt gut an und was wird in den Mails als Schnittmuster-Wunsch häufig nachgefragt. Wenn der Schnitt dann in meinem Kopf steht, fange ich an zu zeichnen, zeichne, verwerfe, zeichne neu, verwerfe wieder, irgendwann bin ich dann auf dem Papier zufrieden, dann nähe ich den ersten Probeschnitt. Dieser wird dann meinen schärfsten Kritikern vorgelegt … meinen Männern. Wenn er diesen Schritt hinter sich hat, kommt meine Schnittdirektrice ins Spiel. Da meine Fähigkeiten in Schnitterstellung seit meiner ersten Jersey-Mütze nicht besser wurden … habe ich diesen Teil an einen Profi ausgelagert. Wenn der Erstschnitt bei mir ankommt, teste ich ihn, und wenn ich zufrieden bin, helfen mir meine Probenäherinnen, den finalen Schliff reinzubekommen.
Immer wieder wird auf Blogs und Fanpages über das Thema Probenähen diskutiert. Wie wird die Auswahl getroffen, werden Probenäher ausgebeutet, sind in Gruppen Beiträge von Probenähern erlaubt oder als Werbung verpöhnt ... Die Liste ließe sich lang fortsetzen und sorgt immer wieder für hitzige Diskussionen. Welche Rolle spielen deine Probenäher für dich, und wie stehst du zu der ganzen Diskussion?
Ganz klar, Probenäher sind Gold wert und sollten auch so behandelt werden! Als kleines Label braucht man die Hilfe von motivierten, tollen Menschen, die bereit sind, ihre Zeit und auch ihr Material einzusetzen, um einen Schnitt massentauglich zu bekommen. Gerade dieser Punkt macht mir immer Bauchweh, weswegen ich Schnitte auch erst ins Probenähen gebe, wenn ich sie so weit wie irgend möglich optimiert habe. Mein Stammteam ist eine Gruppe toller Frauen, die zumeist tatsächlich von 2014 an dabei sind, immer wieder ergänzt durch Gastnäherinnen, die in die Probenäh-Welt reinschnuppern wollen. Ohne meine Probenäherinnen und ihre Männer/Söhne wäre Rockerbuben heute nicht das, was es ist! Danke, Mädels!
Plauder doch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen: Wie lange dauert es von der Idee bis zum fertigen Schnittmuster?
Lange. Manche Ideen setze ich schnell um, andere hängen schon seit 2 Jahren an meiner Pinnwand. Ich mache mir keinen Druck, jeder Schnitt hat seine Zeit, und da Familie bei den Rockerbuben immer vorgeht, kommt es auch schon mal vor, dass ein Probenähen 3 Monate dauert. Währenddessen dreht sich die Welt meines Teams weiter, die Kinder werden krank, Großeltern versterben, der Mann muss zu viel arbeiten, da kommt man manchmal tagelang nicht dazu, und das ist dann so. Dazu kommt, dass ich furchtbar perfektionistisch bin und am liebsten den Schnitt entwickeln würde, der jedem passt, der bei keinem zu kurz oder zu lang ist, der jedem gefällt und der bei keinem Falten wirft
Viele deiner Schnitte gibt es als Kombi-E-Books. Stehst du auf Familien-Partner-Outfits?
Jein, ganz gleich ist nicht so meins. Ich habe meinem Mann mal gesagt, dass ich mich leider scheiden lassen muss, wenn wir irgendwann den gleichen Windbreaker tragen . Was ich gern mag, sind ähnliche Outfits. Beispielsweise unsere Fleecejacken-Kombi. Da haben wir alle eine, es sind quasi alles dieselben Schnitte, aber jeder hat seine individuelle Jacke.
Die Datenbank bei Sewunity spuckt 43 Rockerbuben-Schnitte aus. Ich weiß, man hat keine Lieblingskinder – aber hast du einen Lieblingsschnitt? An welchem Projekt hängt dein Herz ganz besonders?
Das wechselt. Diesen Sommer hatte es mir unser älterer Schnitt Sebi total angetan und mein Sohn hat einen Stapel V-Ausschnitt-Shirts bekommen. Bei dem Wetter gerade habe ich total Lust, neue Fleecejacken zu nähen. Und der Schnitt an dem ich gerade arbeite, hat großes Potential, mein Highlight 2017 zu werden.
Neben Familie, Job und Nähen - hast du Hobbys, die nichts mit dem Nähen zu tun haben?
Ich liebe Natur, Garten und Tiere. Wir haben zwei Hunde, mit denen wir viel unterwegs sind. Außerdem haben wir seit diesem Frühjahr 4 Hühner im Garten. Das ist besser als Fernsehen Nebenbei bewirtschafte ich noch unseren Gemüsegarten, denn nichts schmeckt besser als frischgeerntetes Gemüse aus eigenem Anbau. Ich lese abends außerdem gerne, aber meist schlafe ich dabei ein.
Und kommst du überhaupt noch dazu, für dich oder deine Männer „privat“ zu nähen? Gibt es einen Schnitt, den du als „Lieblingsschnitt“ bezeichnen würdest?
Meine Männer werden bei jedem Probenähen mit neuen Sachen überhäuft. Für mich liebe ich die Nara von MoiraLita - schnell genäht und total praktisch.
Der Markt für NäherInnen und DesignerInnen wächst ja in der letzten Zeit rasant. Labels und Anbieter schießen wie Pilze aus dem Boden, und man hat das Gefühl, die ganze Welt näht. Wie geht es dir mit diesem Boom? Denkst du, es wird anhalten?
Ich bin ein großer Freund von Leben und Leben lassen. Sprich, ich gucke nicht nach links und rechts und gönne jedem seinen Erfolg. Ich würde lügen, wenn ich nicht gerne DEN Schnitt kreieren würde. Aber ich ärger mich auch nicht darüber, wenn einer Kollegin der große Wurf gelingt. Was ich mir wünsche, wäre, dass es nur gut angelegte Schnitte auf dem Markt gibt. Ob der Boom anhält? Ich denke das wird sich einpendeln, bis dann der nächste große Hype ausbricht
Und welchen ultimativen Tipp hast du für alle, die gerne mit dem Nähen anfangen wollen, sich aber noch nicht richtig getraut haben? Auf welches Helferlein würdest du auf keinen Fall mehr verzichten wollen?
Einfach machen, ausprobieren, es gibt so viel Hilfe in Foren, im Netz, Nähvideos oder auch Kurse vor Ort. Es kann ja nichts passieren, im schlimmsten Fall kreiert man so eine schöne Mütze wie ich damals Nicht verzichten möchte ich auf meine Overlock.
Deine Schnittmuster erhalten bei Sewunity viele sehr gute Bewertungen. Drehen wir den Spieß doch mal um: Wenn du Sewunity bewerten dürftest – wie viele Sterne würdest du uns geben, und warum?
Volle Punktzahl. Ich finde es toll, dass man sich bei euch schon vor dem Kauf über einen Schnitt schlau machen kann und auch dass man sieht, wieviel Auswahl eigentlich auf dem Markt vorhanden ist.
Auch mit dir wollen wir natürlich am Schluss unser kleines Entscheidungsspiel spielen. Wir nennen dir zwei Begriffe und du sagst, welcher besser zu dir passt!
Rollschneider oder Schere? Beides, erst Rollschneider und dann die letzten Fasern mit der Schere
E-Book oder Papierschnitt? E-Book
Webware oder Maschenware? Maschenware
Nähkurs oder Autodidakt? Autodidakt mit viel verlorenem Stoff
Overlock umfädeln oder immer mit derselben Farbe nähen? Weiß und umfädeln nur im Notfall
Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Am liebsten anfassen im Stoffgeschäft.
Couch oder Laufschuhe? Definitiv Couch, auch wenn die Laufschuhe angebracht wären.
Kaffee oder Tee? roter Tee
Liebe Alex, vielen Dank, dass du unsere Fragen beantwortet hast!