Gerade für Nähanfänger sind kostenlose Schnittmuster eine willkommene Möglichkeit, neue Herausforderungen auszuprobieren. Ohne große Investitionen ist die Hemmschwelle niedriger. Umso wichtiger, dass man sich auf die Qualität der Anleitungen verlassen kann. Eine der beliebtesten Designerinnen von Freebooks besucht uns heute im Nähcafé: Dominique von Made for Motti. Sie erzählt, wie das mit dem Erstellen von Schnittmustern bei ihr angefangen hat, warum sie beschlossen hat, die Schnitte kostenlos zur Verfügung zu stellen, und warum auch Designer ab und zu eine "Nähpause" brauchen.
Sewunity: Liebe Dominique, herzlich Willkommen im Sewunity-Nähcafé! Schön, dass du da bist. Haben wir dich aus den Weihnachtsvorbereitungen geholt?
Dominique: In der Tat! Ich bin dieses Jahr schon sehr früh in Weihnachtsstimmung gewesen. Wir hören schon seit einer Weile fleißig Weihnachtsmusik, die meisten Geschenke sind bereits organisiert und Plätzchen haben wir auch schon gebacken
Dein Tagesablauf ist wie der vieler arbeitender Mütter gut vollgepackt. Dabei hat dein Beruf mit Handarbeiten ja eigentlich nichts zu tun. Wie bist du zum Nähen gekommen?
Im Studium haben mich die kleinen Näharbeiten zweier meiner Kommilitoninnen sehr begeistert. Plötzlich hatte ich Riesenlust, etwas für meinen Baby-Sohn zu nähen. Voller Euphorie und Vorfreude wollte ich mich deshalb für einen Nähkurs an der Uni anmelden. Dies musste damals persönlich erfolgen. Ich stand also mit Baby in der Schlange und bangte, dass nicht alle Mädels vor mir in den gleichen Kurs wollten wie ich, denn die Teilnehmeranzahl war begrenzt. Das Ende vom Lied: Ich hatte tatsächlich Pech und der Kurs war mit der Studentin vor mir voll. Noch am gleichen Tage habe ich mir eine Nähmaschine bestellt und kurz darauf mithilfe von Youtube-Videos eigenständig losgelegt!
Weißt du noch, was das allererste Teil war, das du selbst genäht hast?
Oh ja! Das war eine ganz simple Tragetasche als Geburtstagsgeschenk für meine Schwester. Ich weiß noch, dass ich ewig mit dem Zuschnitt verbracht habe, weil das Stoffmuster nicht so ganz mit dem Fadenlauf zusammenpasste und ich viiiel zu perfektionistisch war …
Und irgendwann hat es dir nicht mehr gereicht, die Schnitte anderer nachzuarbeiten. Wann hast du entschieden, ein eigenes E-Book zu erstellen?
Das war im Sommer 2015. Ich hatte eine Vision der „Hose Motti“ und dachte mir, dass es so schwer ja nicht sein könne, einen Schnitt selbst zu zeichnen, wenn man die Maße seines Kindes kennt. Ich fing an, ein bisschen zu experimentieren, und brachte die Idee schließlich vom Papier auf den Stoff. Vom ersten Prototypen war ich gleich begeistert, auch wenn dieser im Laufe der Zeit noch einige Änderungen erfahren hat.
Und dann muss man ja auch noch den Entschluss fassen, diesen Schnitt anderen Nähern zur Verfügung zu stellen. Kannst du unseren Lesern verraten, wie dieser Entschluss vor sich ging?
Als ich die „Hose Motti“ damals auf meinem noch sehr kleinen Blog und in den verschiedenen Nähgruppen zeigte, war die Reaktion sehr positiv. Immer wieder wurde ich nach dem Schnittmuster gefragt und letztlich auch danach, ob ich daraus nicht einen Schnitt für alle erstellen könne. Die Begeisterung meiner Leser hat mich dann so sehr motiviert, dass ich tatsächlich anfing, mich in die Materie einzuarbeiten und meinen ersten Schnitt zu gradieren.
Und wenn du heute auf diese Zeit zurückblickst: Was würdest du vielleicht anders machen? Welche Erfahrungen würdest du anderen „Startern“ mitgeben?
Rückblickend hätte ich mich gleich selbst mit der Digitalisierung auseinandersetzen sollen. Dies geschah damals nämlich noch mit intensiver Unterstützung durch meinen Partner, der den Schnitt mithilfe eines CAD-Programms konstruierte. Das war echt aufwändig und fraß unheimlich viel Zeit. Ich bin mit meinem Vektorgrafikprogramm mittlerweile so viel schneller und auch sehr froh darüber, dass ich jetzt völlig eigenständig arbeiten kann.
Du hast ja aber auch noch eine ganz andere wichtige Entscheidung getroffen: All deine Schnittmuster sind so genannte Freebooks, also kostenlos zu haben. Warum?
Mir war immer wichtig, dass „die Näherei“ ein Hobby bleibt und nicht zu einem Geschäft wird. Die Tatsache, dass die Schnittmuster kostenlos zu haben sind, hat natürlich dazu beigetragen, dass sie sich mittlerweile schon sehr weit verbreitet haben und immer wieder empfohlen und gern genäht werden. Das freut und ehrt mich total. Kürzlich war ich z.B. völlig aus dem Häuschen, als ich tatsächlich eine „Hose Motti“ an einem fremden Kind in Stuttgart entdeckte. Außerdem bekomme ich regelmäßig liebe Nachrichten, in denen sich Nähbegeisterte bedanken und ihr Lob aussprechen. Da wird es mir immer warm ums Herz
Oft hört man im Internet ja die Aussage „Na ja, ist ja nur ein Freebook ...“ – egal ob es um Kritik an Sitz oder Anleitung oder auch um das unerlaubte Weitergeben von Anleitungen geht. Wie nimmst du solchen Aussagen den Wind aus den Segeln?
In meinen E-Books steckt sehr viel Herzblut und Arbeit, ich teste und überarbeite den Schnitt immer so lange, bis ich mit dem Sitz wirklich zufrieden bin. Die Anleitung ist immer sehr detailliert, mit vielen Bildern ausgestattet und mehrfach gegengelesen. Auch meine vielen Probenäherinnen investieren viel Zeit, Stoff und Arbeit in die Probestücke und Designbeispiele. Nur weil ich dafür kein Geld nehme, heißt das also lange nicht, dass es das E-Book nicht wert wäre. Deswegen bin ich natürlich ein bisschen enttäuscht, wenn ich mitbekomme, dass Freebooks abgewertet oder gar unerlaubt weitergegeben werden.
Wie entwickelst du deine Ideen? Und wie wird aus einem Bild in deinem Kopf ein echtes Made-for-Motti-E-Book?
Ich probiere ja immer gern mal was Neues aus, je nachdem, was mein Sohn gerade benötigt. Wenn mich und meine Leser ein Ergebnis so richtig überzeugt, bin ich schnell Feuer und Flamme, den Schnitt auch in anderen Größen umzusetzen. Mittlerweile arbeite ich dabei ausschließlich am PC, handgezeichnet wird kaum noch. Wenn alle geplanten Größen gradiert sind, folgt ein kleiner Vortest durch mein Stammteam, woraufhin ich meist auch bald zu einem großen Probenähen aufrufe. Und dann wird der Schnitt auf Herz und Nieren getestet. Meist hab ich bis dahin die ausführliche Anleitung schon fertig, sodass auch diese mithilfe der Testerinnen perfektioniert werden kann.
Und wie lange dauert dieser Prozess für gewöhnlich?
Von der ersten Idee bis zum fertigen E-Book vergehen schon mehrere Wochen. Kommt aber natürlich auch darauf an, wie intensiv ich daran arbeiten kann und wie aufwändig das Probenähen sich gestaltet.
Worauf legst du bei deinen Anleitungen besonderen Wert? Was macht für dich ein gutes E-Book aus?
Viele Bilder, ausführliche Beschreibungen und persönliche Tipps zu verschiedenen Arbeitsschritten. Anfängertauglichkeit ist mir bei meinen Anleitungen immer sehr wichtig und natürlich, dass das Ergebnis gut sitzt. Deshalb enthalten meine neueren E-Books alle Maßtabellen, die für eine gute Passform sorgen.
Du nähst ja aber auch gerne die Anleitungen anderer Designer, auch bei Probenähen bist du aktiv. Hast du denn (abgesehen von deinen eigenen) auch ein Lieblingsschnittmuster?
Oh, die Frage ist schwierig. Ich habe sehr viel durch die E-Books von Klimperklein gelernt und nutze diese als „Basics“ nach wie vor gerne. Zwischendurch habe ich aber auch viel Spaß an Fremdschnitten, die irgendwie ausgefallen sind oder viel Präzision erfordern. Ein bisschen Herausforderung macht mir mittlerweile nämlich besonders viel Spaß!
Neben Familie, Job und Nähen - hast du Hobbys, die nichts mit dem Nähen zu tun haben?
Ich hatte früher auch einige andere Hobbys, die mehr sportlicher und musikalischer Natur waren (Eiskunstlauf, Reiten, Klavierspielen). So sehr wie in der Näherei bin ich bisher aber noch nirgends aufgegangen und für anderes bleibt aktuell auch gar nicht mehr die Zeit.
Der Markt für NäherInnen und DesignerInnen wächst ja in der letzten Zeit rasant. Labels und Anbieter schießen wie Pilze aus dem Boden, und man hat das Gefühl, die ganze Welt näht. Wie geht es dir mit diesem Boom? Denkst du, es wird anhalten?
Das habe ich auch schon bemerkt. Generell find ich die Tendenz, Handgemachtes wieder mehr zu schätzen und selbst zu leben, sehr schön. Ich habe aber auch schon festgestellt, dass vor allem in den Nähgruppen die Euphorie über „Neues“ etwas abgeebbt ist. Hier wird man täglich förmlich überflutet mit Schnittmustern, Stoffen, Nähergebnissen, Aktionen, Gewinnspielen und Co. Manchmal bin ich davon dermaßen überfordert, dass ich erst mal eine „Nähpause“ brauche. Wie lang das noch anhält und ob wir schon am Gipfel des „Wahnsinns“ angekommen sind - keine Ahnung, ich bin gespannt
Und welchen ultimativen Tipp hast du für alle, die gerne mit dem Nähen anfangen wollen, sich aber noch nicht richtig getraut haben? Auf welches Helferlein würdest du auf keinen Fall mehr verzichten wollen?
Nähen kann man sich sehr gut selbst beibringen. Bei Youtube gibt es mittlerweile so viele Tutorials und mit guten E-Books lernt man Stück für Stück immer mehr dazu. Und mit etwas Zeit und Geduld hält man schon bald stolz sein erstes Werk in den Händen! Und zur zweiten Frage: Ich dachte ja lange, keine Overlock-Maschine zu brauchen, aber darauf würde ich mittlerweile tatsächlich nicht mehr verzichten wollen!
Deine Schnittmuster erhalten bei Sewunity viele sehr gute Bewertungen. Drehen wir den Spieß doch mal um: Wenn du Sewunity bewerten dürftest – wie viele Sterne würdest du uns geben, und warum?
Mir gefällt, dass eure Seite sehr übersichtlich ist. Man findet schnell, wonach man sucht, und kann sich mithilfe der Suchoptionen ruckzuck zur richtigen Schnittmuster-Auswahl navigieren. Auch die „To-Sew-Liste“ ist echt hilfreich und erleichtert einem im weiten Nähwahna, den Überblick über seine Nähvorhaben zu behalten Einzig die Farbe der Website ist nicht so mein Fall, denn ich bin überhaupt kein rosa-lila-pink-Typ. Deswegen muss ich euch leider einen halben Punkt abziehen
Auch mit dir wollen wir natürlich am Schluss unser kleines Entscheidungsspiel spielen. Wir nennen dir zwei Begriffe und du sagst, welcher besser zu dir passt!
Rollschneider oder Schere? Eindeutig Schere!
E-Book oder Papierschnitt? Bei Kindern E-Books, bei Erwachsenen Papierschnitte - ich hasse Kleben
Webware oder Maschenware? Da kann ich mich nicht entscheiden, beides macht Spaß!
Nähkurs oder Autodidakt? Ganz klar Autodidakt!
Overlock umfädeln oder immer mit derselben Farbe nähen? Ich fädel maximal die linke Nadel passend um
Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Puh, am liebsten Stoffmarkt, hin und wieder aber auch online!
Couch oder Laufschuhe? Äh, aus Zeitmangel eher Couch
Kaffee oder Tee? TEE!!
Liebe Dominique, vielen Dank, dass du unsere Fragen beantwortet hast!