Im Zusammenhang mit Capsule Wardrobe und selber Nähen darf ein Designer nicht fehlen: Hilli Hiltrud. Henrike aus dem niedersächsischen Tötensen ist studierte Industriedesignerin und hat sich auf ihre Fahnen geschrieben, dass man mit ihren Schnitten einen solchen perfekt aufeinander abgestimmten Kleiderschrank füllen kann. Warum das für sie wichtig ist, und wer eigentlich Hilli Hiltrud ist, verrät sie uns im Interview.
Sewunity: Hallo liebe Henrike, wie schön, dass du Zeit für uns hast! Wovon halte ich dich denn ab?
Henrike: Ich habe mir eben ein weiteres Shirt #sewbasic genäht und wollte gerade die passenden Socken aus dem Rest zuschneiden.
Du bist bei unseren Usern als Designerin bekannt und beliebt. Wolltest du schon immer was mit Mode machen?
Danke, das hört man doch gern ? Tatsächlich wollte ich lange Zeit Modedesign studieren und habe schon während meiner Schulzeit innerhalb von Praktika immer darauf hingearbeitet. Auch nach dem Abi bin ich fast ein Jahr bei einer Modedesignerin im Praktikum gewesen, habe mich dann aber kurz vor knapp spontan gegen ein Modedesignstudium entschieden. Irgendwie fühlte ich mich an der Mode-Universität fehl am Platz und habe dann ein Studium als Industriedesignerin angefangen.
Wann hat bei dir die Sache mit dem Nähen angefangen? Gibt es da eine Geschichte dazu?
Ich war 12, als ich mit dem Nähen begann. Was der genaue Anlass war, weshalb ich plötzlich unbedingt nähen wollte, weiß ich allerdings nicht mehr genau. Gereizt hat es mich allerdings von Anfang an, meine eigene Kleidung zu nähen. Dafür habe ich alte XXXL-Kleidung, Vorhänge und ähnliches upgecycelt, wie man heute sagen würde.
Und was war der Anlass für dich, eigene Schnitte zu entwerfen? Wann hast du dir gesagt: Ich mach mich jetzt selbständig und verkaufe meine E-Books?
Eigentlich war es der Geldmangel in jungen Jahren. Mein Taschengeld war rar und es hat mir mehr Spaß gemacht, bestehende Kleidung auseinanderzunehmen, zu schauen, wie diese zusammengesetzt ist und mir eigene Schnitte zu machen, als mein weniges Taschengeld für Nähzeitschriften auszugeben.
In die Selbstständigkeit bin ich eher hineingerutscht. Als ich meine selbstgenähten Socken damals auf Facebook postete und soviele Nachfragen nach einem eBook kamen, habe ich mich dran gesetzt und das, was ich sonst nur für mich gemacht habe, auch für andere gemacht. So nahm das mit den E-Books seinen Lauf.
Bist du da von Anfang an professionell rangegangen? Oder warst du - wenn man es jetzt in der Retrospektive anschaut - auch an manchen Stellen etwas blauäugig? Gibt es etwas, was du der jüngeren Henrike von damals als heißen Tipp mit an die Hand geben würdest?
Ich würde sagen, dass ich selbst jetzt noch manchmal recht naiv an einige Dinge herangehe. Mein Rat an mein jüngeres Ich: Vertrau viel mehr in dich selbst und lass dich nicht so schnell aus der Bahn werfen.
Du bist ja eine ganz klassische Designerin, die nicht nur im Bereich Mode arbeitet. Oder würdest du dich eher als Modedesignerin bezeichnen, die auch andere Dinge im Bereich Design macht?
Tatsächlich betrachte ich mich als eine Art „ganzheitliche“ Designerin. Ich habe viele Bereiche im Design kennengelernt und sehe mich da ein wenig als Allrounder. Bei uns im Studium war es üblich, sehr viele Bereiche zu durchlaufen und anzuwenden. Als Modedesignerin sehe ich mich eher weniger.
Was macht für dich Mode aus? Oder geht es gar nicht um Mode, sondern um Stil?
Für mich geht es absolut um Stil. Mode ist in meinen Augen sehr schnelllebig, da käme ich gar nicht hinterher. Stil ist für mich zeitlos und individuell.
Viele Kreative sagen ja, dass sie vor allem deswegen selber nähen, um genau das zu machen, was sie selbst haben wollen. Wie stehst du dazu? Wie kreativ ist der DIY-Markt?
Absolut, ich denke, dass dies oft sogar der Grund ist, weshalb mit dem Nähen begonnen wird. Was mir im Laufe der Zeit aufgefallen ist, dass viele sich anfangs ganz stark von Hypes leiten lassen und zu wenig auf sich selbst hören. Erst im Laufe der Nähkarriere entwickeln sie dann ihren individuellen Stil, nähen nicht mehr willkürlich, lassen sich nicht mehr so arg beeinflussen und werden in meinen Augen so richtig kreativ.
Capsule Wardrobe ist ein Schlagwort zurzeit, mit dem man auch dich und dein Label verbindet. Kannst du diesen Begriff so erklären, dass ihn auch Mode-Muffel verstehen?
Eine Capsule Wardrobe ist in meinen Augen eine Garderobe, die aus Lieblingsstücken besteht, die harmonisch zueinander passen und (fast) alle untereinander kombinierbar sind.
Erlaubst du uns einen kleinen Blick hinter die Kulissen? Wie sieht ein Tag im Leben von Hilli Hiltrud aus?
Mein typischer Morgen startet mit einer Dusche, einem frisch gepressten Saft und einer Kanne Schwarztee. Als Frühaufsteher fange ich meist recht früh an, schaffe die wichtigsten ToDo's und lasse es ab mittags etwas entspannter angehen. Da ich keinen direkten Arbeitsweg habe, gönne ich mir zur Mittagszeit meist einen ausgedehnten Spaziergang, an dem ich frische Luft und Sonne tanke.
So ganz typische Tage gibt es allerdings gar nicht, weil es immer etwas Neues bzw. Anderes zu tun gibt. Ganz entgegen der Erwartung verbringe ich allerdings die meiste Zeit am PC.
Wer ist Hilli Hiltrud eigentlich? Gibt es eine Geschichte, die hinter dem Namen deines Labels steht?
Der Onkel meines Mannes dachte lange, dass mein Spitzname nicht Henny (von Henrike), sondern Hilli sei. Irgendwann beim Familienessen sagte er dann zu mir: „Hilli, magst du mir mal das Salz reichen“ und die ganze Famlie fragte völlig verwirrt, wie er mich gerade genannt hatte. Er, völlig normal: „Hilli... von Hiltrud...“ Seitdem war es ein Running Gag und als ich ein Labelnamen suchte, lag es irgendwie auf der Hand.
Hihi, ja, allerdings! Und dürfen wir ein bisschen spickeln? Hast du schon konkrete Pläne, auf was wir uns als nächstes freuen dürfen?
Oha, jetzt begebe ich mich auf dünnes Eis (lacht). Ich schreibe gerade ein Buch. Worum es geht, darf ich allerdings noch nicht verraten. Aber soviel: Wenn alles nach Plan läuft, erscheint es ungefähr im Juli im EMF-Verlag.
Na, da sind wir ja mal gespannt! Vielleicht dürfen wir es unseren Lesern ja dann bei den Fundstücken vorstellen! Zum Abschluss noch eine Frage in eigener Sache: Auf Sewunity können ja Schnittmuster nach einem Fünf-Sterne-Prinzip bewertet werden. Wie viele Sterne würdest du denn Sewunity geben, und warum?
Fünf – denn auch wenn es natürlich hier und da noch Stellen gibt, die ausbaufähig sind, merke ich, dass ihr ständig am weiterentwickeln seid, was ich grandios finde.
Und ein kleines Spielchen wollen wir auch noch mit dir spielen. Ich nenne dir immer zwei Begriffe und du sagst ganz spontan, was für dich eher zutrifft:
- Rollschneider oder Schere? Rollschneider
- E-Book oder Papierschnitt? E-Book
- Webware oder Maschenware? Beides
- Nähkurs oder Autodidakt? Autodidakt
- Overlock umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? Nur den ersten Faden umfädeln ?
- Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Stoffgeschäft
- Couch oder Laufschuhe? Couch
⁃ Kaffee oder Tee? Tee
Vielen Dank für deinen Besuch!