Interview der Woche: Judith von Sara & Julez

Ein bereits vorhandenes Nählabel zu übernehmen, ist in der Nähszene eher ungewöhnlich. Judith machte 2019 diesen Schritt und wurde neue Besitzerin von "Sara & Julez". Im Interview erzählt sie, wie sie die Marke im Sinne ihrer Vorgängerin weiterführt, eigene Ideen entwickelt, warum es sich lohnt, über den Stoff-Tellerrand zu blicken und warum Schnitte für Männer in der Nähszene immer noch ein Schattendasein führen. 

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Sewunity: Liebe Judith, herzlich willkommen im Sewunity-Nähcafé. Stell dich doch bitte zum Anfang mal kurz unseren Lesern vor.

Judith von Sara & Julez
Judith von Sara & Julez

Judith: Sehr gern: Ich bin Judith, 40 und ich lebe mit meiner Familie in Berlin. Ich habe 3 Töchter, 2 Katzen und inzwischen auch einen Hund. Langeweile ist bei uns ein Fremdwort.

Du bist das aktuelle Gesicht hinter dem Label „Sara & Julez“. Das aktuelle Gesicht deshalb, weil „Sara & Julez“ eine besondere Geschichte hast, du hast das Label übernommen. Erzähl doch mal, wie es dazu kam …

Das war tatsächlich eine witzige Geschichte. Ich kannte Sara & Julez schon eine Weile, hatte einige Schnitte vom Label gekauft und hatte sogar schon mal an einem Probenähen für Tanja, die vorherige Besitzerin, teilgenommen. Tanja entwickelte sich dann weg vom Themen Nähen und DIY und ich habe ihren Weg verfolgt. In der neuen Community schrieb sie nach ca. einem Jahr, dass sie sich überlegt hätte, Sara & Julez zu verkaufen, damit es liebevoll weiterbetrieben werden kann. Ich saß gerade in der S-Bahn, als ich das las, und habe sofort eine Nachricht an Tanja geschickt. Wenige Wochen später war ich Label-Besitzerin.

Wenn man ein eigenes Label aufbaut, bedeutet dies, seine eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Sara & Julez hatte aber schon seinen festen Platz auf dem Markt. Wie gelingt es dir, das Label trotzdem in deinem Sinne weiterzuführen, ohne die ursprüngliche Linie zu verlieren? Und wer sind eigentlich Sara und Julez?

Logo Sara & Julez

Sara & Julez weiterzuführen, die bisherigen Erfolge anzuerkennen und gleichzeitig meine eigene Note zu etablieren, war eine der größeren Herausforderungen. Sara & Julez, übrigens eine Hommage an die Kids von Tanja, steht für professionelle Schnitte und lässige sportive Kleidung, inspiriert von amerikanischer Mode. Ich habe ein bisschen mehr weibliche Linien mit eingebracht und das Thema "Mini me", also Partnerschnitte für Groß und Klein.

Du selbst hast 2013 mit dem Nähen begonnen. Wie kam es dazu und wie entstand dann die Idee, eigene Schnitte zu entwickeln?

Mein Start ins Thema Nähen war, wie bei vielen anderen wahrscheinlich auch, ein bisschen aus der Not geboren. Ich fand für meine damals noch zwei Töchter einfach kaum spannende Kleidung. Ewig gleiche Schnitte, Farben und ständig mit Motiven. Meine jüngere Tochter hatte als Lieblingsfarben gelb und türkis, da war es fast unmöglich, etwas zu finden. Also begann ich, selbst zu nähen. Schnell fanden meine Werke Fans und so gründete ich 2015 mein Handmade-Label urban melody. Mit dem Bekleidungslabel kamen irgendwann Ideen für Schnitte, die ich selten oder gar nicht fand. Und damit die Idee, eigene Schnitte zu entwerfen.

Schaut man sich das Angebot an Schnittmustern an, das unter dem Label „Sara & Julez“ vertrieben wird, fällt die große Bandbreite des Angebotes auf. Es gibt Kinderschnitte, Damenschnitte und sogar einige Herrenschnitte, was ja nicht viele Designer im Angebot haben. Welcher dieser Themenbereiche macht dir am meisten Spaß und wie gelingt es dir, immer wieder noch neue Ideen zu entwickeln, um sich von der Masse abzuheben?

Judith - Sarah & Julez

Ich mag tatsächlich die Vielfalt. Damen und Kinder wechseln sich immer wieder ab, manchmal sprudeln die Ideen eher in einem der Gebiete, und dann kommen mir plötzlich neue Impulse für das andere Gebiet. Meistens durch Zeitschriften und sehr viel auf Reisen oder beim Spazieren in der Stadt. Ich würde eigentlich auch gern mehr für die Herren machen, ich habe einen sehr modebegeisterten Mann zu Hause. Leider mögen die meisten Männer aber eher den bequemen Jeans- und T-Shirt-Style, daher wird das Segment wohl immer kleiner bleiben, aber nicht weniger geliebt.

Um ein Label am Leben zu halten, reicht es ja nicht, immer wieder neue Schnittmuster auf den Markt zu werfen, es gehört auch noch eine Menge mehr dazu. Wie stellst du sicher, dass der Name Sara & Julez in der Nähszene zu einer gewissen Bekanntheit kommt?

Das stimmt, es ist eine Menge Arbeit hinter den Kulissen. Social Media spielt eine viel größere Rolle als noch vor ein paar Jahren. Ich nehme die Nähbegeisterten gern mit, z.B. in Instagram Stories, und ich probiere immer wieder neue Formate aus wie das E-Book der Woche, Nähchallenges, Mini-Tutorials usw.

Solltest du überhaupt noch zum Nähen für dich selbst oder deine Familie kommen: Nähst du dann eher deine eigenen Schnitte oder hast du Lieblingsschnitte von anderen Designern? Wenn ja, welche sind das?

Meine Familie wird natürlich in den Probenähen viel benäht, da ich meist fünf bis sechs eigene Werke von jedem Schnitt nähe, bevor er auf den Markt kommt. Für mich fange ich erst seit ein, zwei Jahren an, zu nähen. Meine jüngste Tochter hat allerdings inzwischen zu 80-90 Prozent selbst genähte Sachen im Kleiderschrank. Sie ist sehr mädchenhaft. Ich stöbere gern bei ausländischen Designern, da diese sehr viel mehr mit Webware arbeiten und häufig sehr feminine Schnitte haben. Ich mag Jersey sehr, finde aber, es gibt so tolle andere Stoffe und manchmal vergessen wir die ein bisschen in Deutschland. Steht übrigens auch auf meiner Agenda, Nähbegeisterte dazu einzuladen, quasi über den Stofftellerrand zu gucken. Zuletzt habe ich Schnitte von shakalaka pattern, oh me oh my sewing und Bebekins vernäht.

Was denkst du, wohin geht die Reise in der Nähszene hin? Wie populär ist das Nähen aktuell und wie wird sich der Trend deiner Meinung nach in den kommenden Jahren entwickeln?

Judith - Sara & Julez

Ich glaube, Nähen wird ein fester Bestandteil der Bekleidungsindustrie. Corona hat die Entwicklung nochmal gefördert, da wir lange zu Hause waren. Außerdem gewinnt Nachhaltigkeit und das Thema Slow Fashion an Bedeutung. Massenware und fragwürdige Produktionsbedingungen sind vielen ein Dorn im Auge. Ich glaube und hoffe, dass die Wertschätzung für das Thema Handmade Fashion steigt und damit auch wieder mehr faire Preise für Kleidung aus diesem Bereich und auch die Schnitte gezahlt werden.

Und wohin geht deine persönliche Reise? An was für Projekten arbeitest du gerade, hast du spezielle Pläne?

Ich möchte das Thema "Mini me" weiter begleiten, daran habe ich viel Freude im Moment. Und, wie vorhin schon erwähnt, ich würde gern den Stoff-Nähhorizont erweitern. Wenn ich jemanden inspirieren kann, sich an neue Techniken, Stoffe und Schnitte ranzutrauen, macht mich das sehr glücklich.

Was ist dein persönlicher Wunsch für Sara & Julez für die kommenden Monate?

Ich wünsche mir für Sara & Julez, dass es ein fester und geliebter Bestandteil der Nähcommunity wird und noch mehr Menschen sich trauen, ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen. Am coolsten wären mehr nähende Männer!

Zum Schluss noch unsere obligatorische Frage in eigener Sache: Auf Sewunity bewerten die User Schnittmuster mit Sternen, fünf Sterne sind die Höchstwertung. Wie viele Sterne würdest du Sewunity geben und warum?

Sewunity ist eine tolle Nähcommunity. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Schnitte in eurer Datenbank sind. Und Aktionen wie z.B. der Adventskalender sind absolut einzigartig. Klare fünf Sterne!

Vielen Dank dafür! Und wenn du jetzt noch magst, hätten wir zum Abschluss unser kleines Entscheidungsspiel für dich. Wir stellen dir jeweils zwei Begriffe zur Auswahl, bitte wähle doch den, der am besten auf dich zutrifft. Los geht’s!

Rollschneider oder Schere? Schere, außer für Streifen, da liebe ich Rollschneider

E-Book oder Papierschnitt? Papier - ich hasse es zu kleben

Webware oder Maschenware? Webware

Nähkurs oder Autodidakt? Nähkurs. Gute Basics sind ein absoluter Turbo für das Hobby

Overlock umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? Umfädeln - der innere Monk schreit sonst

Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Beides

Couch oder Laufschuhe? Couch

Kaffee oder Tee? Unbedingt Kaffee

Vielen Dank für deine Zeit!