Interview der Woche: Nikolett von "schwalbenliebe"

Ihr Herz schlägt für die 50er Jahre, ihre Damenschnitte sind raffiniert und setzen Weiblichkeit bestens in Szene: Nikolett, besser bekannt als "schwalbenliebe". Im Interview mit Sewunity verrät sie uns heute nicht nur, an welchem Ort auf der Welt sie die allerbesten Ideen hat, sondern auch, für welchen Promi sie von Herzen gerne einmal ein eigenes Kostüm entwerfen und schneidern würde.
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Ihr Herz schlägt für die 50er Jahre, ihre Damenschnitte sind raffiniert und setzen Weiblichkeit bestens in Szene: Nikolett, besser bekannt als "schwalbenliebe". Im Interview mit Sewunity verrät sie uns heute nicht nur, an welchem Ort auf der Welt sie die allerbesten Ideen hat, sondern auch, für welchen Promi sie von Herzen gerne einmal ein eigenes Kostüm entwerfen und schneidern würde.

Nikolett von schwalbenliebeLiebe Nikolett, herzlich willkommen im Sewunity-Nähcafé! Nimm Platz, mach es dir gemütlich – und verrate uns als erstes doch mal, warum dein Label schwalbenliebe eigentlich schwalbenliebe heißt. Warum liebst du Schwalben?

Sie sind treu. Das ist eine der Eigenschaften die ich am höchsten schätze: Loyalität und Ehrlichkeit. Klar, sie sehen wundervoll aus, fliegen bezaubernd mit einer Art eigenem Humor und wer mich kennt weiß, dass ich seit meinem 19. Lebensjahr durch und durch Rock'n'Roll’in bin und Schwalben ein Symbol aus der Szene sind. Aber der wahre echte Grund ist ganz simpel. Wahre Liebe und menschliche Treue. Um mehr gehts nicht. Angefangen bei mir selber. Ich werde mir immer troy bleiben. Persönlich empfinde ich das als ein ehrenwertes und erstrebenswertes Lebensziel.

Wie wunderschön! Du bist wie so viele E-Book-Erstellerinnen eine Quereinsteigerin in die Nähszene – eigentlich bist du gelernte Gestalterin. Wann hat du das erste Mal an einer Nähmaschine gesessen und wie ist daraus eine Leidenschaft geworden?

schwalbenliebeTatsächlich ist das Nähen seit meiner Kindheit selbstverständlich in der Familie und alles was ich kann, sowie die Neugier und den Mut habe ich von meiner Mama gelernt. Wir hatten eine irre große Wohnung und ein extra Herren- sowie Nähzimmer. Und genau hier stand ich immer mit der Nase am Tisch und habe meiner Mama bei der Herstellung von Kinderkleidung zugesehen. Auch meine Oma, der ich eines meiner E-Books gewidmet habe, ist eine tugendreiche Dame. Die Maschine steht noch im Schlafzimmer, jederzeit bereit - jedoch still.
Meine Leidenschaft habe ich also seit meiner Kindheit und oft frage ich mich, ob ich diese ungezwungene Leidenschaft wirklich noch empfände, wenn ich den Beruf der Schneiderin gelernt hätte. Vielleicht wäre ich bewanderter und müsste jetzt nicht soviel lernen, was ich zugegebenermaßen sehr sehr gerne mache, aber eventuell wäre ich auch zermürbt. Denn wer schafft es in der Couture wirklich frei von Regeln Neues zu erschaffen und damit seine Familie zu ernähren. Leider enden viele wirklich handwerklich tolle kreative Köpfe in einer Änderungsschneiderei. Ehrbar, jedoch würde ich eingehen.
Ich bin neugierig und frei. Perfekte Kombination für mich. Kurzum. Leidenschaft mein ganzes Leben, durch mein Hobby immer professioneller geworden - und nach reichlicher Überlegung habe ich einfach alles auf eine Karte gesetzt. Alle Kennzahlen gelernt und losgelegt. Nach Jahren in der Grafik war es für mich sehr sehr verlockend, alles Know How in die Schale zu legen und zu starten.

Wann ist für dich der Punkt gekommen, an dem du gesagt hast: "So, jetzt gründe ich ein eigenes Label"?

schwalbenliebe2002. Mit 22 Jahren. Und ich bin dem treu geblieben. Zunächst als Grafiklabel, um meiner Kreativität und meinem Stil einen eigenen Weg zu geben. Und auch wenn ich bei namenhaften Brands oder Firmen angestellt war, so blieb die schwalbenliebe. Dann eben etwas stiller. 2015 habe ich dann entschieden, dass ich mehr möchte. Mich ausbilden lassen, mein erlerntes Marketing aufgefrischt, Buchhaltung gelernt und ganz entspannt die Scheren geschärft. Ich wollte nichts aus dem - oh, das machen alle, toooollll, das kann ich auch - heraus machen, sondern mit Sinn und Verstand an die Sache gehen.

Deine besondere Leidenschaft sind die 50er Jahre, was sich auch in deinen Schnittmustern widerspiegelt. Warum findest du die 50er Jahre so toll?

Ooohhhhh girl! Diese Zeit zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht. Ich bin glücklich, wenn ich eintauchen kann in den Zeitgeist. Alles war lebensbejahender, was angesichts der unschönen Zeiten während des 2. Weltkriegs kein Wunder war. Die Zeit ist eine freie, süße, melodische und stressfreie Ära für mich. Frauen durften Frauen sein. Die Mode war um 1000000faches damenhafter, ausgefeilter und vor allem handwerklicher. Das Frauenbild der 50s spiegel ich nicht wieder, das ist klar - und wäre mir als Freigeist zuwider, aber es imponiert mir zugegebenermaßen doch sehr, wenn man als Lady auch so behandelt wird. Ich mag Kinderstube. Sehr.

Und was noch?

Haben wir schon die Autos erwähnt? Ich könnte noch vieles aufzählen, aber der Zeitgeist des wollenden Glücks ist es, der mich berauscht. Sich Glück gönnen. Das tut gut.

In unserer heutigen Nähkästchen-Ausgabe dreht sich alles rund um das Thema Damenkleider. Welche Art von Schnitten setzt deiner Meinung nach den weiblichen Körper besonders schön in Szene?

schwalbenliebeAlles was Taille hat. Dezenter Ausschnitt, gute Taillenkonstruktion und das Augenmerk auf Proportionen. Alles hat in der Konstruktion eine Bestimmung und ein kleines µ Veränderung bewirkt eine andere Optik. Es muss also raffiniert sein. Es darf schlicht sein. Aber nicht langweilig und mit dem berühmten Overlock-Links-Rechts hat der perfekte Schnitt für mich persönlich auch nichts zu tun. Auch wenn zum Beispiel isländische Mode recht simple erscheint, hat sie viele Raffinessen. Und ich rede nicht vom gemeinen Isländer. Also hier gilt, alles was eine gewisse Feinheit besitzt, kann ein perfekter Schnitt sein um seine Weiblichkeit zu unterstreichen. Ganz privat finde ich muss Oberweite, Taille und Hüfte in Szene gesetzt werden - egal in welcher Größe.

A propos Schnitte – welches deiner E-Books ist denn dein ganz persönlicher Lieblingsschnitt?

Von den bis dato veröffentlichten ist es Tanzrausch. Ein Kleid im Stil der 40s mit moderner Umsetzung. Eine wirkliche Challenge für Anfänger, aber machbar.

Bleibt dir eigentlich noch Zeit, für dich selbst zu nähen. Wenn ja: Welches sind deine Lieblingsschnitte außer deinen eigenen?

Nein, ich bin ehrlich. Nicht wirklich. Wenn ich nähe, sind es vor allem neue Schnitte, die ich gegenteste, an denen ich experimentiere und eher mal schnell ein Schnitt von mir, um ein kleines schickes Outfit für ein Event zu nähen.

Wie viel Zeit vergeht bei dir von einer Idee bis zum fertigen E-Book? Was macht für dich persönlich ein richtig gutes E-Book aus?

schwalbenliebeUh das wird jetzt erschrecken, aber tatsächlich bis zu zwei Monaten inklusive dem Gegennähen. Mein großer optischer Anspruch an meine E-Books ist mir oft ein kleiner Stein im Weg, da dieser es eben auch schwer gestaltet, mal eben so schnell zu sein. Aber unterm Strich ist es mir das wert. Ich will nicht, wie so vieles auf diesem Markt, rausrotzen und Kohle zu machen. Das, was die Dame später bekommt, bin 100 Prozent ich und ich möchte gerne, dass sie sagt: Hey Schwalbe, das war ausgefeilt, hat mich mitgenommen, mich bereichert, ich habe etwas gelernt und mir neues zugetraut.
Also dauert es vom Entwurf, über das erste Nähen, digitalisieren, zum gradieren, probenähen, verändern, E-Book layouten, Fotos machen und den Shop pflegen seine Zeit. Eine One-Woman Show, sage ich immer.

Neben Näh-E-Books erstellst du auch Plotterdateien. Woher nimmst du deine Ideen dafür?

Na das fällt nicht schwer, da ich in der Natur oder im Leben soviel sehe, was Inspiration bietet. Da ich von Herzen Grafikerin bin, fällt es mir auch nicht schwer, alles umzusetzen. Und unter uns: Die besten Ideen und Entscheidungen kommen mir, wenn ich in Island bin. Da kann ich mich ordnen und planen und auch die Seele baumeln lassen. Was ungemein gut für die Kreativität ist.

Wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen würden – hast du einen Nähtraum, den du dir gerne erfüllen würdest?

Ja! Björk ein Kostüm entwerfen, anpassen und schneidern: Das wäre mein Traum. Sie ist mein verborgenes Herz. Nicht Rock'n'Roll, dafür aber meine große Liebe Island und für mich eine lebende Legende.

Du entwirfst nicht nur Schnitte, du bist auch Inhaberin einer eigenen Nähschule. Viele, die heute gerne nähen lernen wollen, machen das in Eigenregie – zum Beispiel mit der Hilfe von Videos aus dem Internet. Was würdest du einer Freundin empfehlen, die zum ersten Mal nähen möchte – wie soll sie das angehen?

Einfach machen. Sich nicht stressen, nicht den pipapoooo-teuersten Stoff kaufen, nicht streng mit sich sein. Einfach loslegen. Und wenn die Hürde zu groß wäre, würde ich sagen: Komm zu mir, setzte dich an meine Maschine und ich flieg mit dir.

Magst du uns vielleicht auch mit uns ein bisschen fliegen und uns verraten, auf was wir uns als nächstes von dir freuen dürfen? Gibt es konkrete Projekte, an denen du bereits arbeitest?

schwalbenliebeJetzt muss ich sofort grinsen. Du siehst, mich macht das was ich vorhabe schon glücklich. Ich werde eine Kollektion herausbringen, bei der du dich von Kopf bis Fuß mit ausgewählten Stücken ladylike kleiden kannst. Und ich erfülle einer Schwalbe einen versprochenen Wunschschnitt und habe das Glück, mit meinem Stammteam einen wunderbaren Schnitt umzusetzen, den ich letztes Jahr entworfen habe und auf den sich alle freuen. Der Rest wird kommen, wenn er ausgefeilt, gut und berauschend echt ist.

Und was ist das schönste Stück, das du jemals genäht hast? Hast du da irgendein Kleidungsstück, von dem du sagst: "Wow, das liebe ich am allermeisten?"

Es ist ein gaaaaaanz simpler Pullover, den ich Freestyle genäht habe. Was ihn besonders macht, ist dass er um den Ausschnitt isländische Muster von mir aufgenäht bekommen hat. Das macht ihn für mich zu einem Mix meiner Leidenschaften und ich liebe ihn einfach.

Wie sieht es deiner Meinung nach generell aus: Nähen ist immer noch sehr, sehr angesagt. Glaubst du, der Trend wird auf Dauer Bestand haben – oder flacht er irgendwann mal wieder ab?

Ehrlicherweise denke ich sehr kritisch und stelle mich sowie andere auf den Prüfstand. Ja, es wird weiter gehen und der Trend wird andauern. Was nicht andauern wird, ist, dass Kunden für ihr Geld Schnitte bekommen, welche leider oft nicht ausgereift sind, an denen keine echte Konstruktion vorgenommen wurde und auch E-Books, bei denen jeder 12 -jährige eine schönere Worddatei erstellen kann. Hier wird es einen Cut geben. Ich sehe das auch als Kundin. Ich möchte, dass sich mehr Mühe gegeben wird. Auch namhafte E-Book-Hersteller sollten die E-Books so gestalten, dass ich als Kunde auf eine Reise genommen werde. Ebenso sehe ich, dass Kunden mehr wollen. Sie wollen Know-How, Spaß, ebenbürtigen Dialog und voran kommen. Ich denke, wer sich im Sinne und aus Kundensicht aufstellt, wird seinen Weg gehen und sich weiterentwickeln. Also ja, es wird vom Trend zum Mainstream. Jedoch muss der Markt meiner Meinung nach mit dem Kunden in stetiger Korrespondenz sein.

Am Ende nun noch eine Frage in eigener Sache: Bei Sewunity bewerten die User Schnittmuster mit Sternen, fünf Sterne sind die Höchstwertung. Wie viele Sterne würdest du Sewunity geben und warum?

Da ich kein Freund von "Gehype" bin, entscheide ich nach soliden Kriterien. Ihr verbindet mit Sewunity die Nähszene und schafft durch Mitspracherecht eine lesbare Transparenz. Bei der Wahl der Fragen, habe ich mich gefreut, denn auch hinter simplen Fragen steht viel Brain. Vier Sterne. Warum nur vier? Weil wir nochmal über das Corporate Design reden müssen ❤.

Vielen lieben Dank! Dann wird es jetzt noch Zeit für unser beliebtes kleines Interviewspiel. Wir geben dir jeweils zwei Begriffe zur Auswahl – wähl doch bitte den aus, der am besten zu dir passt:

Rollschneider oder Schere? Schere!

E-Book oder Papierschnitt? Papier

Webware oder Maschenware? Webware

Nähkurs oder Autodidakt? Beides

Overlock umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? Immer mit einer Farbe durchgängig nähen

Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Beides

Couch oder Laufschuhe? Laufschuh

Kaffee oder Tee? Tee

Vielen Dank für das Interview!