Interview der Woche: Steffi von "Fabelwald"

In unserem Interview der Woche richten wir unseren Blick diesmal über die Grenze in unser Nachbarland Österreich. Steffi vom Label "Fabelwald" berichtet unter anderem, welche Pläne sie für die Zukunft hat, was die Arbeit an einem Nähbuch so einzigartig macht und welche wunderschöne Botschaft sie allen Nähfans mit ihrem Projekt "Fairie-Kollektion" vermitteln möchte.

Avatar
Steffi von Fabelwald
Steffi von "Fabelwald"

Liebe Steffi, herzlich willkommen im Sewunity-Nähcafé – und wir freuen uns, dass wir heute mal im benachbarten Österreich zu Gast sein können. Dein Label ist das Label Fabelwald. Das klingt ein bisschen geheimnisvoll, ein bisschen verwunschen …. Wie ist denn dieser Name entstanden?

Der Name Fabelwald stammt aus den Anfangszeiten meines Labels, damals hatte ich noch gar keine Schnittmuster im Angebot, sondern habe Selbstgenähtes verkauft, vor allem Kindertaschen mit Tiermotiven. Sehr beliebt war eine Tasche mit einer aufwändigen Fuchsapplikation – ähnlich der „Kindertasche Reineke“, welche es in der Zwischenzeit als kostenloses Schnittmuster auf meiner Homepage gibt. Dieser „Reineke“ und die anderen Tieren haben irgendwie zu „Fabel-“ geführt, und der Wald hat dann einfach gut dazu gepasst, zumal ich auch sehr gerne im Wald bin und das für mich ein absoluter Wohlfühlort ist. Insofern ist der Name für mich stimmig, auch wenn man damit vermutlich nicht gleich Genähtes oder Schnittmuster assoziiert.

Wie lange nähst du denn schon selbst und wie hast du zum ersten Mal den Weg an die Nähmaschine gefunden?

Fabelwald
Fabelwald

Ich habe zwar schon früher immer wieder mal etwas Kleines genäht, aber erst als meine Tochter klein war, habe ich begonnen, mich so richtig intensiv damit zu beschäftigen – das war vor etwa 12 Jahren. Ich wollte einerseits gerne schöne Kinderkleidung nähen, die sich vom Rosa-oder-Blau-Einheitsbrei abhebt, andererseits war das Nähen auch etwas, das (selbst wenn ich für meine Kinder genäht habe) ein bisschen Zeit für mich selbst und Entspannung und Abwechslung bedeutet hat. Dass ich das Ganze auch mal beruflich mache, war nicht von Anfang an geplant und hat sich erst nach und nach so ergeben.

Deine Schnittmuster sind sehr, sehr vielseitig und abwechslungsreich. Was macht dir mehr Spaß, Schnitte für Kinder oder Schnitte für Erwachsene?

Eigentlich macht mir beides Spaß, und ich mag Abwechslung, daher ist mir eine Mischung am liebsten. Außerdem entstehen meine Schnittmuster sehr oft auch aus einem Eigenbedarf heraus, zum Beispiel, weil ich mir einen ganz bestimmten Schnitt für ein Kleidungsstück wünsche oder meine beiden Kinder etwas brauchen.

Womit hebst du dich persönlich von der Masse an Schnittmustern ab? Was macht deine E-Books und Schnitte einzigartig?

Steffi von Fabelwald

Ich glaube, dass meine Anleitungen sehr ausführlich und detailliert ausfallen und dass ich gut darin bin, zu formulieren und zu erklären. Das Ganze wird natürlich ergänzt durch viele Fotos oder Illustrationen der einzelnen Arbeitsschritte.

Besonders wichtig ist mir aber: Alle meine Schnittmuster enthalten sehr viele Variations- und Abwandlungsmöglichkeiten; die sind schon in den E-Books enthalten, darüber hinaus zeige ich aber auch noch weitere Ideen und biete auf meiner Homepage Tutorials und Schnittmuster-Ergänzungen an. Mit einem einzelnen Schnittmuster kann man also wirklich viele unterschiedliche Kleidungsstücke nähen – so hab ich zum Beispiel mit dem Schnittmuster „Cardigan Picea“ schon einen Cardigan aus Strickstoff, eine Hemdbluse aus Leinen und einen Wintermantel aus Walk genäht. Auch aus meinen anderen Schnitten lässt sich ganz viel machen, und dazu möchte ich meine KundInnen auch immer gerne anregen: Ein Schnittmuster als Ausgangspunkt benutzen, um eigene Ideen umzusetzen, selbst kreativ zu werden und immer wieder Neues auszuprobieren.

Was macht generell für dich einen guten Schnitt oder ein gutes E-Book aus? Welche Aspekte sind dir dabei besonders wichtig?

Da gibt es natürlich die Aspekte der „Benutzerfreundlichkeit“: Ein E-Book sollte übersichtlich gestaltet sein und einem logischen Aufbau folgen, die Texte gut lesbar und die Anleitung verständlich sein. Alle Infos, die die KundIn braucht, sollten enthalten sein, also auch z.B. Maßtabellen oder Anpassungsmöglichkeiten. Die Schnittmusterteile sollten natürlich richtig gradiert sein, zusammenpassen, auch gut beschriftet sein, usw...

Was den Schnitt an sich angeht, ist klarerweise die Passform sehr wichtig, aber das ist auch etwas sehr Individuelles. Ich finde es daher toll, wenn es auch Anregungen zur Schnittanpassung gibt. Außerdem mag ich zeitlose und wandelbare Schnitte, solche, die nicht nur einmal kurz aktuell sind, sondern mir die Möglichkeit bieten, sie immer wieder auf meine momentanen Bedürfnisse anzupassen.

Auf der Homepage gibt es ein wunderschönes, spannendes Projekt zu entdecken, die Fairie-Kollektion. Erzähl uns doch mal, was es damit genau auf sich hat.

Steffi von Fabelwald

Unter dem Namen „Fairie-Kollektion“ habe ich 2019 das ganze Jahr über Schnittmuster, Anleitungen und Projektideen gesammelt. Es gibt dazu auf meiner Homepage auch ein sehr schönes Lookbook, dort kann man sich alles gesammelt ansehen, wenn man mag.

Mehr noch als um diese einzelnen Schnittmuster und Anleitungen geht es aber um eine bestimmte Grundhaltung, die mir auch außerhalb dieser Kollektion sehr wichtig ist und die ich nach wie vor umzusetzen versuche: Nicht von einem (Näh-)Projekt zum anderen hetzen, wie am Fließband ein schnelles Teil nach dem anderen produzieren, sondern sich auf eine bewusste Auswahl von Schnitt, Stoff und Material, auf eine Wertschätzung der Hand-Arbeit besinnen, nähen, was wirklich gebraucht, gemocht und wertgeschätzt wird, auch im Sinne der Nachhaltigkeit.

Oft lese oder höre ich auch von Hobbynäherinnen, dass sie irgendwann überfordert sind von den ständig wechselnden Trends, von der zu großen Auswahl, von dem immer schneller werdenden Tempo in der „Nähwelt“, dass das, was eigentlich Freude machen soll, irgendwann zu Stress wird und unter Druck setzt. Und da einmal innezuhalten und nachzudenken, lohnt sich immer, finde ich.

Du bist nicht nur an der Nähmaschine geschickt, du steckst – wie in dem Projekt ja unter anderem zu sehen – auch viel Leidenschaft in Themen wie Stoffdruck. Was ist dabei für dich die besondere Faszination?

Ich bin einfach gerne gestalterisch tätig und probiere verschiedene Techniken aus. Neben dem Nähen interessiere ich mich auch für andere Handarbeiten wie Stricken und Sticken, für Stoffdruck oder fürs Färben mit Pflanzen; ich arbeite auch gerne mit Papier, zeichne gerne, und würde beispielsweise gerne mehr übers Korbflechten lernen. Ich finde es einfach toll, mit meinen Händen etwas zu erschaffen, das (im besten Fall) schön und nützlich ist.

Kommen wir nun zu einem ganz anderen Thema und einem weiteren Nähbaby von dir – deine Nähbucher. Derzeit erscheinen gleich zwei davon, ein Buch über Shirts und eins über Shirts in Plus-Size. Welche Eigenschaften muss denn ein gutes Plus-Size-Shirt erfüllen?

Zuerst einmal: Bei diesen beiden Büchern handelt es sich nicht um neue Bücher, sondern um die Titel, die bereits 2017 und 2018 erschienen sind, dann aber zum Teil schon vergriffen waren. Nachdem die Reihe „Alles Jersey“ sehr beliebt ist, hat sich der Verlag dazu entschieden, die Bücher noch einmal neu aufzulegen.

Ein guter Plus-Size-Schnitt basiert auf einem eigens erstellten Grundschnitt und nicht auf einem Grundschnitt für kleinere Größen, der einfach hochgradiert wurde. Außerdem sollte in der Anleitung immer auch auf die Anpassungsmöglichkeiten eingegangen werden, denn es ist nun mal jeder Körper anders und einzigartig. Das gilt allerdings für alle Größen! Wer wirklich gut passende Kleidung nähen möchte, sollte sich unbedingt auch mit den Thema Schnittanpassung beschäftigen.

Worin liegt denn die besondere Herausforderung dabei, ein Nähbuch zu schreiben? Wie unterscheidet sich die Arbeit daran an einem einfachen Schnittmuster?

Steffi von Fabelwald

Die Arbeit an einem Nähbuch läuft tatsächlich in vielen Teilen ziemlich anders ab, was einfach daran liegt, dass es sehr viele Vorgaben von außen gibt. Da gibt es nicht nur einen fixen und meist recht straffen Zeitplan, da ist z.B. auch vorgegeben, wieviel Text auf einer Seite Platz haben darf oder wieviele Fotos es geben darf, damit alles ins Layout passt. Außerdem arbeiten an so einem Nähbuch ja neben der Autorin noch weitere Leute mit – von der GrafikdesignerIn bis zur Schnittdirectrice, von der FotografIn und den Models bis zur LektorIn usw. Das ist toll, denn eine Person alleine könnte das ja auch nie so auf die Beine stellen, aber das bedeutet auch, dass das Buch am Ende ein Gemeinschaftsprodukt ist und dabei natürlich auch Kompromisse eingegangen werden.

Bei meinen E-Books hingegen mache ich alles selbst – Texte, Fotos, Grafiken, Layout, ich zeichne und gradiere auch die Schnittmuster selber, organisiere das Probenähen, kümmere mich um die Werbung und vieles mehr. Das ist natürlich ein ganz anderer Arbeitsprozess.

Gibt es eigentlich auch Dinge, die du beim Nähen gar nicht gerne machst? Irgendwelche Arbeiten, die man hin und wieder erledigen muss, die dir aber keinen Spaß machen?

Ich glaube, die meisten schneiden nicht besonders gerne zu, oder? So geht es mir jedenfalls. Einlage aufzubügeln, mag ich auch nicht besonders, und wenn die Nähmaschine mal zickt, mag ich das natürlich auch nicht...

Und gibt es etwas, was du besonders gut kannst?

Hm, ich glaube, ich kann ganz gut improvisieren. Wenn ich wirklich nur für mich privat nähe und nicht, um eine auch für andere nachvollziehbare Anleitung zu entwickeln, nähe ich gerne einfach mal drauf los, mit einem groben Plan zwar, aber noch recht offen für das Ergebnis. Ich mag das sehr, mich einfach von spontanen Ideen leiten zu lassen und, wie man so sagt, „meiner Kreativität freien Lauf zu lassen“. Ich improvisiere gerne mit den Stoffen und Materialien, die ich schon da habe und versuche, auch mal ums Eck zu denken.

Was ich auch gut kann und gerne mag, sind sehr kleinteilige Arbeiten, die viel Geduld erfordern. Ich mag es auch, Details per Hand zu nähen oder mich in einer detailreichen Stickerei oder Applikation zu „verlieren“. Sowas ist für mich sehr beruhigend, entspannend und entschleunigend.

Mal angenommen, ein Anfänger schlägt bei dir auf und fragt dich, was er beim Nähen beachten muss. Zu welchen ersten Schritten rätst du ihm?

Fang einfach an! Trau Dich und trau Dir was zu! Es ist völlig normal, dass Du etwas, das Du zum ersten Mal ausprobierst, noch nicht perfekt kannst, aber bald hast Du sicher viel Freude am Nähen!

Bestimmt arbeitest du auch schon an neuen Projekten. Kannst oder magst du uns schon verraten, was das sein wird?

Ja, ein bisschen was verrate ich gerne, obwohl es im Moment sehr schwer ist, Pläne zu machen. Aber es wird auf der einen Seite erst mal um Hand-Stickereien gehen, auf der anderen Seite denke ich schon sehr intensiv über Schnittmuster in Teenie-Größen nach – nicht zuletzt, weil meine eigene Tochter meinen Kinderschnitten schon entwachsen ist, die Damenschnitte aber gerade noch etwas zu groß sind ...

Das klingt sehr, sehr spannend. Als Schnittmusterdesigner mag man seine eigenen Schnitte natürlich ganz besonders gerne. Aber gibt es auch Schnitte von Kollegen und Kolleginnen, die du sehr magst und gerne nähst? Wenn ja, was sind deine Favoriten?

Ich bin sicher, es gibt viele super Schnittmuster und dass viele KollegInnen tolle Arbeit leisten, aber ehrlich gesagt habe ich schon länger kein „fremdes“ Schnittmuster mehr genäht. Meine private Nähzeit ist eher spärlich, außerdem möchte ich nur nähen, was ich oder meine Familie auch brauchen und tragen können. Bei der Entwicklung eines Schnittmusters und während der Arbeit an einem E-Book entstehen ja meist mehrere Probestücke oder Designbeispiele für die Variationsmöglichkeiten. Dadurch ist mein Kleiderschrank eigentlich schon gut bestückt und ich habe selten Bedarf, noch etwas Zusätzliches zu nähen.

Glaubst du, dass sich die Nähszene in Österreich und die Nähszene in Deutschland unterscheiden? Was denkst du, wo geht die Reise generell hin – bleibt Nähen noch länger so populär, wie es durch die Corona-Krise wieder geworden ist?

Ich weiß nicht, ich bin, glaub ich, gar nicht so eine Szene-Kennerin ;-), aber ich schätze, es gibt keine besonders großen Unterschiede. Gerade weil so vieles online passiert und z.B. über die Sozialen Medien kommuniziert und beworben wird, gelten wohl für den gesamten deutschen Sprachraum ähnliche Trends bei Schnittmustern, Stoffen usw.

Den Eindruck, dass das Nähen und auch andere Handarbeiten und das Selbermachen allgemein populär sind und noch bleiben werden, habe ich durchaus. Dabei glaube ich aber, immer mehr die Entwicklung verschiedener Richtungen und Untergruppen zu beobachten, die dann teilweise sogar ziemlich unterschiedlich sind. Das macht aber gar nichts, es ist doch schön, wenn jede und jeder in ihrer/seiner Nische Gleichgesinnte finden kann.

Unsere obligatorische Frage in eigener Sache: Bei Sewunity bewerten die User Schnittmuster mit Sternen. Wenn wir den Spieß mal umdrehen: Wie viele Sterne würdest du Sewunity geben und warum?

Ich gebe Euch fünf Sterne :-), denn ich habe bisher immer auf jede Frage schnelle und verlässliche Antwort bekommen und finde, dass Ihr auch individuell auf Anliegen eingeht.

Und bevor wir jetzt ganz am Ende unseres Gesprächs angekommen sind, hätten wir nun noch unser kleines Entscheidungsspiel für dich zwei Begriffe zur Auswahl, entscheide dich für den Begriff, der am besten zu dir passt:

Rollschneider oder Schere? Schere

E-Book oder Papierschnitt? E-Book

Webware oder Maschenware? Gerne Webware, aber beides hat seine Vorzüge, eben je nach Projekt

Nähkurs oder Autodidakt? Autodidakt

Overlock umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? Umfädeln nur, wenn es wirklich nötig ist

Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Lieber Stoffgeschäft, aber aufgrund fehlender Möglichkeiten in der Nähe dann doch Onlineshopping

Couch oder Laufschuhe? Wanderschuhe und raus in den Wald!

Kaffee oder Tee? Morgens Kaffe, tagsüber dann viel Kräutertee

Vielen Dank für das Gespräch! 😊