Kleine Materialkunde, Teil 1: Kann ich das auch aus Baumwolle nähen?

Vernähen kann man so gut wie alles. Es gibt unendlich viele verschiedene Stoffarten, Grundstoffe und Produkte. Damit ihr euch im Dschungel der Materialien ein bisschen leichter zurechtfindet, werden wir hier im Sewunity Nähkästchen immer mal wieder kleine Artikel zum Thema Materialkunde veröffentlichen. Den Anfang macht ein immer wieder aufkommendes Thema: Webware vs. Maschenware.
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Kleine Materialkunde, Teil 1:

„Kann ich das auch aus Baumwolle nähen?“

Vernähen kann man so gut wie alles. Es gibt unendlich viele verschiedene Stoffarten, Grundstoffe und Produkte. Damit ihr euch im Dschungel der Materialien ein bisschen leichter zurechtfindet, werden wir hier im Sewunity Nähkästchen immer mal wieder kleine Artikel zum Thema Materialkunde veröffentlichen. Den Anfang macht ein immer wieder aufkommendes Thema: Webware vs. Maschenware.

In allen möglichen Näh-Communities (egal ob offline oder online) stellt mit schöner Regelmäßigkeit jemand die Frage: „Ich hab so einen schönen Schnitt hier, aber leider keinen Jersey. Kann ich das wohl auch aus Baumwolle nähen?“

Hier liegt ein grundsätzliches Missverständnis vor, denn Baumwolle und Jersey sind keine Gegensätze. Baumwolle ist ein Material, wie Wolle, Seide oder Polyester. Jersey dagegen beschreibt die Produktionsart.

Vielleicht ist es euch beim Stöbern in der Schnittmuster-Datenbank schon mal aufgefallen: Ihr könnt bei Sewunity auch grundsätzlich nach Schnitten suchen, die aus bestimmten Stoffen genäht werden sollen. Wir unterscheiden hier zwischen Maschenware und Webware.

Dabei gehört zur Webware das, was viele Näher pauschal als „Baumwolle“ bezeichnen – ein nicht dehnbarer, gerne eher glatter Stoff. Doch Webware ist noch mehr!

Wie man am Wort schon unschwer erkennen kann, bezeichnet man mit Webware alle Stoffe, die in einem Webverfahren technisch hergestellt werden. Sie bestehen aus Kett- und Schussfäden; die Kettfäden werden im Webstuhl eingespannt und geben dem Gewebe den Halt, die Schussfäden werden (wie man das aus dem Webrahmen im Kindergarten kennt) abwechselnd über und unter dem Kettfaden „eingeschossen“ bzw. verwebt. So entstehen mit der Zeit stabile Textilien.

Webware

Webware ist, wenn keine elastischen Materialien wie Elasthan mitverarbeitet werden, nur wenig bis gar nicht dehnbar. Wie sich das Material sonst verhält, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Wie dicht die Kett- und Schussfäden angeordnet sind, bestimmt auch die Dichte des Stoffes. Eher locker gewebte Stoffe wie Mull oder Musselin sind sehr leicht und luftdurchlässig. Sie fransen aber auch sehr stark aus und sind instabil. Ähnliches gilt auch für aufwändig gewebte Gobelin-Stoffe – diese sind aufgrund der Stärke der verwendeten Fäden aber sehr schwer.
  • Manche Stoffe, wie z.B. Jeans, Damast oder Brokat, erhalten durch die Art, wie gewebt wurde, ein Muster. Dafür werden die Schussfäden nicht regelmäßig über und unter den Kettfäden durchgschossen, sondern nach einem bestimmten Muster. Man nennt diese eingewebten Muster auch Bindung (z.B. Köperbindung).
  • Auch durch die Verwendung verschiedenfarbiger Kett- und Schussfäden können Muster erzielt werden. Bekanntestes Beispiel sind sicherlich die berühmten Schottenkaros; doch auch einfache Streifen können eingewebt werden.

Für Webware gibt es, je nach dem, wie der Stoff beschaffen ist, viele verschiedene Bezeichnungen. Die bekanntesten sind:

Batist – ein sehr leichter, oft durchscheinender Stoff, bei dem sehr dünne Fäden sehr dicht aneinander verwebt wurden.

Canvas – eigentlich englisch für „Leinen“; ein sehr fester, schwerer Stoff, der eine hohe Zugfestigkeit aufweist. Darum wird er auch gerne von Malern für das Bespannen von Keilrahmen verwendet.

Cord – ein dichter Stoff mit einer Rippenstruktur, die durch die Webart entsteht. Hier verläuft der Schussfaden zuerst unter und dann über einer ganzen Reihe von Kettfäden, sodass die charakteristischen Rippen entstehen.

Denim – wird oft auch als Jeansstoff bezeichnet; ein kräftiges Gewebe in charakteristischer Köperbindung. Ebenfalls typisch ist, dass die Kettfäden weiß sind und nur der Schussfaden eingefärbt.

Piqué – fester Stoff, zumeist aus Baumwolle, bei dem zwei Stofflagen miteinander verwoben werden. Dort, wo die Lagen sich verbinden, entstehen die typischen Kästchen.

Popeline – fester, glatter Stoff, zumeist aus Baumwolle oder Viskose. Hier ist der Kettfaden für gewöhnlich feiner und dichter als der Schussfaden, sodass die Gewebestruktur kaum zu erkennen ist.

Twill – hier ist die Besonderheit, dass durch die gleichmäßige Webart und die Verwendung desselben Fadens für Kette und Schuss ein Stoff entsteht, der auf beiden Seiten gleich aussieht, obwohl er eine Struktur hat.

Voile – auch sehr dünner Stoff, der nicht ganz so dicht gewebt ist wie Batist und dadurch mehr Struktur hat.


Ihr seht also, Webware ist sehr viel mehr als nur Baumwolle! Und dass man unter Maschenware auch viel mehr versteht als nur Jersey, könnt Ihr in der nächsten Ausgabe des Nähkästchens lesen ?