Kommt Zeit, kommt Naht - #nähliebe

Wie würde die Näh-Landschaft wohl aussehen, wenn es keine sozialen Medien gäbe? Anders, auf jeden Fall, und höchstwahrscheinlich auch viel ärmer. Denn dank Sewunity, Facebook, Instagram, Pinterest und Co. haben sich die Möglichkeiten der Kreativen, sich zu vernetzen, zu inspirieren und eben einfach kreativ zu sein, doch stark vervielfältigt. Dieser Erkenntnis trägt unser Fundstück der Woche Rechnung: "Kommt Zeit, kommt Naht - #nähliebe" widmet sich dem Phänomen des social sewing und stellt Größen der kreativen Bloggerszene vor. Wir haben das Buch für euch unter die Lupe genommen.
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Wie würde die Näh-Landschaft wohl aussehen, wenn es keine sozialen Medien gäbe? Anders, auf jeden Fall, und höchstwahrscheinlich auch viel ärmer. Denn dank Sewunity, Facebook, Instagram, Pinterest und Co. haben sich die Möglichkeiten der Kreativen, sich zu vernetzen, zu inspirieren und eben einfach kreativ zu sein, doch stark vervielfältigt.
Dieser Erkenntnis trägt unser Fundstück der Woche Rechnung: "Kommt Zeit, kommt Naht - #nähliebe" widmet sich dem Phänomen des social sewing und stellt Größen der kreativen Bloggerszene vor. Wir haben das Buch für euch unter die Lupe genommen.

Kommt Zeit, kommt Naht

Das Buch ist im Prinzip eine Mischung aus Nähblogger-Vorstellung, Anleitungsbuch und ein bisschen "Mitmachbuch". Acht so genannte "Influencer" haben sich zusammengetan, Anleitungen beigesteuert und der Redaktion in Mini-Interviews Rede und Antwort gestanden. Dabei sind "Schwergewichte" der Szene ebenso vertreten wie kleinere Labels, und auch ein ehemaliger Kandidat von "Geschickt eingefädelt", der nun nicht zum Kreis der klassischen Nähblogger gehört, hat sich eingereiht. Das Buch verfügt also über einen illustren Autorenkreis, es ist liebevoll gestaltet und sehr nah an der Zielgruppe. Die "Stimmungsfotos" zwischen den einzelnen Beiträgen bedienen die Sehgewohnheiten, wie wir sie von den einschlägigen Blogs und Seiten her kennen. Die Mitmachseiten sind ebenfalls aus dem Leben von NäherInnen gegriffen: Checklisten für die kommenden Projekte, Ideensammlungen für kreative Tage, Inspiration für das nächste Nähevent oder auch ein kleiner Selbsttest zum Thema "Welcher #nähliebe-Typ bist du" runden das Buch ab.

Das Hardcover ist mit 128 Seiten auf voluminösem Papier eine schöne Zierde für jedes Nähbücher-Regal, die Ausstattung ist wie üblich bei den Büchern der Marke TOPP hochwertig. Wieder einmal stört da allerdings, dass der beliegende, farbig gedruckte Schnittmusterbogen mit Klebepunkten im Nachsatz eingeklebt wird. Diese haben leider beim Herauslösen das schöne Vorsatzpapier beschädigt, und in Zukunft liegt der Bogen nur noch lose bei - in einem typischen Nähzimmer geht so etwas nur allzu leicht verloren!

Doch nun zum Inhalt: Acht Nähblogger haben zu diesem Buch beigetragen. Einige davon (nämlich Pauline Dohmen, Cherry Picking und Beate Mannes) kennt ihr auch schon aus dem Nähkästchen, Miriam Dornemann ist als Autorin der "Tolle Taschen"-Bücher bekannt und Julian Fiege kennen die meisten wahrscheinlich von seinem Auftritt bei "Geschickt eingefädelt". Außerdem kommen noch Desirée Schmitt, Petra Hofer und Amelie Roggenstein zu Wort - in der Bloggerszene besser bekannt als Two and a half seam, Pepelinchen und Sonnenschnuckel. Jede der Kreativen hat zwei bis vier Anleitungen für das Buch entwickelt und ein kurzes Interview gegeben.

Leider zeigt sich in dieser Struktur für mich die Schwäche des Buchs - es sind nämlich im Prinzip einfach acht Blöcke, die ohne einen roten Faden hintereinandergepackt wurden. Mir fehlt ein bisschen die redaktionelle Hand bei der Zusammenstellung, die darauf geachtet hätte, dass das Buch ein großes Ganzes wird. Man merkt das schon bei der Zusammenstellung der Anleitungen. So finden sich zum Beispiel gleich vier verschiedene Anleitungen für eine Kissenhülle im Buch. Auch Beuteltaschen sind gleich in vierfacher Ausfertigung vertreten, dazu kommen noch drei kleine Kosmetiktäschchen. Und auch der Schal mit Quasten von Cherry Picking und der Tischläufer mit Bommeln von Desirée Schmitt sind im Prinzip dieselbe Anleitung. Ein aufmerksamer Redakteur hätte vielleicht auch eingegriffen, wenn vier von acht Interviewten auf die Frage nach der "liebsten Nähweisheit" mit "Gut gebügelt ist halb genäht" antworten ... Überhaupt sind die Interviews leider sehr dünn und gehen nicht in die Tiefe. Es sind acht Mal dieselben Fragen (was natürlich auch wieder gut ist, weil man so die Parallelen und die Unterschiede der Designer sieht), die aber nicht viel Raum einnehmen. Fans der Blogger erfahren hier nichts Neues, und wer kein Fan ist, kann mit den Personen oft eher wenig anfangen.

Die Anleitungen selbst spiegeln für mich durchaus ein wenig das Image der jeweiligen Ersteller wider - Pauline "Klimperklein" Dohmen trägt Babyschnitte bei, Taschenkönigin Miriam Dornemann hat Taschenschnitte erstellt, bei Cherry Picking finden sich eher flippige, ungewöhnliche Anleitungen wie ein geflochtener Gürtel. Manche Anleitungen enttäuschen fast ein wenig in Bezug auf die Kreativität, die verlangt wird (denn natürlich ist auch der allgegenwärtige Loop vertreten), andere, wie der Mini-Rucksack, sind für eine eher bildarme Umsetzung in einem Buch schon sehr ambitioniert. Auch das Prinzip des English Paper Piecing ohne Bilder zu erklären kann schief gehen. Hier klafft für mich die Zielgruppe doch etwas auseinander.

So bleibt mein Fazit etwas zwiegespalten: Für Fans der "Influencer" ist "Kommt Zeit, kommt Naht" sicherlich ein Nice to have. Von einem Must have für alle Nähfans ist das Buch leider aber noch ein Stück entfernt.


Kommt Zeit, kommt Naht.

#nähliebe

erschienen im frechverlag mit der Marke TOPP, ISBN 978-3-7724-8130-7

€ 19,99 (D) / 20,60 € (A)

Wir danken dem frechverlag, der uns ein Exemplar des Buches für diese Vorstellung zur Verfügung gestellt hat.