Es gibt so Schnitte, die kann man rauf und runter nähen. Immer und immer wieder. Weil sie einfach perfekt sitzen, weil sie genau den Ausschnitt, genau den Bund, genau die Länge haben, die wir so lieben. Aber manchmal möchte man doch auch was anderes sehen. Was Neues ausprobieren. Oder aber: Der Stoff, den man sich dafür ausgeguckt hat, reicht beim besten Willen nicht. Was also tun? Ganz einfach: Man versieht das Schnittmuster mit einer oder mehreren Teilungen. Das gibt einen peppigen Look, und außerdem hat man die Möglichkeit, Stoffe zu kombinieren oder Reste von lange gestreichelten Schätzen in Szene zu setzen. Wir geben euch heute ein paar Tipps, worauf ihr beim Erstellen von Teilungen achten müsst.
Grundsätzlich gibt es zwei Ansatzweisen, wie man ein Schnittmuster mit einem Stoffmix gestalten kann: Die erste Möglichkeit wäre, dass man aus verschiedenen Stoffstücken ein ausreichend großes Stoffteil zusammennäht, aus dem dann das Schnittteil ausgeschnitten werden kann. Wenn man zuerst den Stoff patcht, dann sind der Fantasie höchstens durch die Stoffmenge Grenzen gesetzt. Man kann Streifen zusammensetzen, in regelmäßigen geometrischen Figuren arbeiten oder wild drauflosnähen, bis alle Fitzelchen aus der Restekiste verbraucht sind. Es ist, vor allem, wenn man mit Jersey arbeitet, aber zu empfehlen, bei vielen Nähten und vielen kleinen Teilen die Nahtzugaben auf die rechte Seite des "Stoffes" zu bringen, da es sonst beim Tragen unangenehm werden kann. Overlocknähte, die mit bunten Fäden genäht wurden, setzen hier zusätzlich Akzente und können geschickt als Gestaltungsmerkmal eingesetzt werden. Achtet vor allem an den Stellen, wo mehrere Schnittteile aufeinandertreffen, schon beim Zuschnitt darauf, dass hier möglichst wenige eurer Patchnähte enden, da es sonst knubbelig werden kann.
Etwas kontrollierter kann man arbeiten, wenn man den ausgewählten Schnitt noch in der Schnittmuster-Papierform in Einzelteile zerlegt und dann entsprechend ausschneidet. Hier sind verschiedene Sachen zu beachten:
Am einfachsten geht das wirklich mit Papier, weil man hier mehr Widerstand hat als bei der Folie. Zeichnet euch die Linien auf das Schnittmuster, bevor ihr es zerschneidet, denn so bekommt ihr schon eine Vorstellung davon, wie das fertige Stück aussehen wird.
Man kann einen Schnitt symmetrisch oder asymmetrisch teilen, längs oder quer. Das sollte man zuallererst festlegen. Die einfachste Art, einen Schnitt zu teilen, ist eine einzelne, gerade Teilung parallel zum unteren Saum (wenn man von einem Oberteil ausgeht). Dazu misst man von unten her die gewünschte Strecke ab und setzt die Teilungsnaht in einem rechten Winkel zur Bruchkante. Dabei sollte man auf Folgendes achten: Die Teilungslinie sollte nicht genau unter der Achsel enden. Zum einen sieht das nicht harmonisch aus (dazu gleich mehr), zum anderen knubbeln sich sonst die Nahtzugaben unter dem Arm, weil hier dann Teilungsnaht, Ärmel- und Seitennaht aufeinandertreffen. Bei Damenschnitten sollte man darauf achten, dass die Teilungsnaht nicht genau auf Höhe der Brustspitzen verläuft - eine klare Positionierung über- bzw. unterhalb der Brust ist hier ratsam.
Als am harmonischsten gilt im Übrigen die Teilung nach dem "Goldenen Schnitt", und das kann man auch für Schnittmuster anwenden. Dabei gilt: Die Teilung muss so sein, dass das Verhältnis der längeren Seite (b) zur ganzen Strecke gleich groß ist wie das Verhältnis von der kürzeren (a) zur längeren Seite. In Zahlen ausgedrückt, sollte die längere Seite ungefähr 62 % der Gesamtstrecke betragen und die kürzere 38 %. Wenn ihr den Goldenen Schnitt bei der Positionierung eurer Teilungslinie heranziehen wollt, dann müsst ihr daran denken, dass ihr immer von der Gesamtlänge des Schnittmusters ausgehen müsst - bei einem Oberteil also vom Saum bis zum höchsten Punkt der Schulternaht. Diese Strecke teilt ihr dann im Verhältnis 62:38 und zeichnet an dieser Stelle eine Querlinie.
Natürlich kann man eine solche Teilung auch senkrecht vornehmen - dazu ist aber zu beachten, dass man dann natürlich nicht mit dem Schnittmuster im Bruch arbeiten kann, sondern sich den Schnitt so kopieren sollte, dass man das komplette Schnittteil auf Papier vor sich hat, denn ansonsten hat man natürlich nachher ZWEI Teilungen - wenn man das gerne möchte, ist es natürlich eine tolle Sache .
Möchte man einen Schnitt gerne asymmetrisch teilen, ist es unumgänglich, den Schnitt als Ganzes aufs Papier zu bringen. Und auch hier geht man nun so vor, dass man sich die Linien aufzeichnet (idealerweise mit Bleistift), bis man zufrieden ist. Achtet darauf, dass nicht zu viele Nähte aufeinandertreffen, dass die Teilungslinien nicht unter den Achseln enden, und natürlich, dass keine Punkte zufällig hervorgehoben werden, die ihr nicht hervorheben wollt (wenn sich etwa zwei Nähte genau über eine Brustwarze treffen würden ...)
Auch bei der asymmetrischen Teilung kann man sich am Goldenen Schnitt orientieren. Dabei ist es natürlich möglich, das Verhältnis mehrfach anzuwenden, etwa, indem man eine Teilungsnaht wieder nach dem Goldenen Schnitt teilt und so eine weitere Linie hinzufügt.
Wenn ihr auch die Ärmel teilen wollt, habt ihr verschiedene Möglichkeiten: Ihr könnt optisch die Teilungslinien des Körperteils weiterführen, oder ihr könnt völlig unabhängig teilen. Das unabhängige Teilen ist ganz eurer Kreativität überlassen (auch hier ist natürlich der Goldene Schnitt empfehlenswert), wenn ihr die Linien optisch fortführen wollt, gibt es ein bisschen was zu beachten: Messt den Abstand eurer Teilungslinie zum Achselpunkt eures Schnittmusters, und genau diesen Abstand zeichnet ihr nun auch am Ärmel-Schnittteil von der Achsel ausgehend ein. Bei asymmetrischen, schrägen Linien könnt ihr auch den Winkel übernehmen - legt dazu das Ärmel-Schnittteil mit dem markierten Abstand auf das Körper-Schnittteil und führt die Teilungslinie parallel weiter.
Außerdem hat man bei den Ärmeln zum Beispiel auch die Möglichkeit, mit Ellenbogenpatches bzw. Einsätzen zu arbeiten - das erzeugt einen coolen Skater-Look. Um die genaue Position des Ellenbogens festzustellen, hilft es, wenn man sich ein bisschen mit Anatomie befasst. Idealerweise ist das Verhältnis vom Oberarm (Schulterpunkt bis Ellbogen) zum Unterarm (Ellbogen bis Handgelenk) in etwa 4:3. Zeichnet an dieser Position eine Linie ein. Der eingesetzte Ellbogenstreifen sollte nach oben und unten gleich weit von dieser Linie entfernt sein. Wenn ihr nur einen Patch machen wollt, dann darf dieser nicht auf der Mitte des Ärmels sitzen, sondern muss leicht nach hinten versetzt sein. Dazu müsst ihr vom Schulterpunkt (der sollte auf dem Schnittmuster markiert sein) senkrecht nach unten zum Ärmelsaum hin eine Linie ziehen. Der Ellbogenpatch sollte nun genau neben dieser Linie, zur Rückseite des Ärmels hin, positioniert werden.
So, und wenn nun all eure Teilungslinien da sitzen, wo ihr sie gerne haben wollt, dann geht es los: Nun schneidet ihr das Papierschnittmuster auseinander und übertragt die Teile auf euren Stoff. Wichtig: An allen Teilungsnähten müsst ihr natürlich eine Nahtzugabe hinzufügen, auch wenn diese vielleicht bereits im Schnittmuster enthalten ist! Geht beim Zusammennähen so vor, dass ihr die kürzesten Teilungsnähte zuerst schließt - bei dem Beispiel oben würde man z.B. zuerst die beiden unteren Segmente zusammennähen, dann das darüberliegende Teil anbringen und zum Schluss das obere Stück befestigen, bis man dann das komplette Schnittteil wieder vor sich hat.
Da die Teilungsnähte vor allem bei asymmetrischen oder gerundeten Teilungen nicht parallel oder orthogonal zum Fadenlauf verlaufen, muss man besonders darauf achten, dass sich nichts verzieht oder wellt. Stecknadeln oder WonderClips sind hier gern gesehene Helfer, und Bügeln nach jeder Teilungsnaht ist unumgänglich. Doch der Aufwand lohnt sich: Am Ende werdet ihr ein wirklich einzigartiges Kleidungsstück in Händen halten!
Habt ihr schon einmal ein Schnittmuster auf diese Art modifiziert? Was sind eure Erfahrungen? Und habt ihr irgendwelche heißen Tipps für die anderen Sewunity-User? Wir freuen uns auf eure Kommentare!