Spätestens, wenn man das erste Mal eine Tasche näht, wird man damit konfrontiert: Vlieseline. Auch bei vielen Kleidungsstücken oder Dekoelementen wird damit gearbeitet, aber nur wenige Taschen sind ohne die aufbügelbare Verstärkung überhaupt denkbar. Dabei gibt es gefühlt Tausende verschiedener Bezeichnungen, Varianten und Einsatzmöglichkeiten - gerade für Anfänger ist das nur schwer zu durchschauen. Wir versuchen, ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen, und stellen euch nicht nur die gebräuchlichsten Vlieseline-Arten und ihre Einsatzmöglichkeiten vor, sondern geben auch ein paar Tipps zur Verarbeitung. Heute: Vlieseline für Taschen.
Was ist Vlieseline?
Zuerst einmal ist Vlieseline ein Markenname der Firma Freudenberg. Seit über 60 Jahren stellt die Firma mit Sitz im kurpfälzischen Weinheim die verschiedensten Arten von Einlagen her - denn das ist eigentlich die richtige Bezeichnung. Doch verhält es sich mit Vlieseline und Einlage mittlerweile so wie mit Tesa und Klebestreifen: Der Markenname ist zum Synonym geworden. Vlieseline besteht aus Kunstfasern oder Baumwolle, die auf unterschiedlichste Art und Weise gewoben oder gefilzt werden, je nach Einsatzart. Gemeinsam ist all diesen verschiedenen Einlagen eines: Sie dienen dazu, Nähstücke zu verstärken, zu festigen oder zu versteifen. Sie können aufgebügelt (sogenannte Bügeleinlagen) oder eingelegt (Näheinlagen) werden, manche sind leicht dehnbar (wie die meisten Gewebeeinlagen), anderen sehr steif (wie Schabracke). Es gibt sie von hauchdünn bis stark voluminös, wie es z.B. für Patchwork- oder Quiltarbeiten sinnvoll ist. Manche, wie Thermolam oder Thinsulate, haben isolierende oder windabweisende Eigenschaften. Es gibt für (fast) jeden Bereich die passende Näheinlage!
Bügeleinlage richtig aufbügeln
Für Taschen sind in erster Linie Bügeleinlagen von Bedeutung. Diese Einlagen sind auf der linken Seite mit einem Klebstoff beschichtet, der durch die Hitze des Bügeleisens flüssig wird und so das Einlagen-Gewebe fest mit dem zu versteifenden Stoff verbindet. Es ist deswegen von großer Bedeutung, bei der Verarbeitung darauf zu achten, dass man die Vlieseline mit der richtigen Seite aufbügelt - immer links auf links, also Klebeseite auf nicht-so-schöne Stoffseite. Wenn man sich bei der Vlieseline nicht mehr sicher ist, welches die linke Seite ist, gibt es zwei Tricks:
Zum einen glänzt die Klebeseite des Bügelvlieses immer ein wenig - das sieht man vor allem bei glatten Bügeleinlagen sehr gut. Hier fühlt man auch genau, dass die Klebeseite glatt ist, die Vliesseite ein bisschen rauher. Bei weichen Bügeleinlagen oder Volumenvliesen hilft auch immer der "Fühltest". Hier ist der Kleber oft in kleinen Punkten aufgebracht, die man erspüren kann. Kleiner Tipp: Mit der Wange oder auch den Lippen spürt man die Klebepunkt oftmals besser als mit den Fingern!
Einen weiteren Hinweis zur richtigen Seite bekommt man auf dem Vlies selber: Bei den Bügeleinlagen der Firma Freudenberg ist immer am äußeren Rand eine "Bedienungsanleitung" aufgedruckt, der man die Nummer des Vlieses, die richtige Bügel- und Waschtemperatur und auch die notwendige Dauer der Hitzeeinwirkung entnehmen kann. Diese Anleitung steht immer auf der rechten Seite der Vlieseline - also ein eindeutiges Zeichen dafür, dass hier KEIN Kleber zu finden ist
Für ein besonders exaktes Ergebnis kann es hilfreich sein, das Schnittmuster auf das Vlies zu übertragen, dieses auf den Stoff zu bügeln und erst dann den Stoff zuzuschneiden. Vlieseline dehnt sich nämlich unter Hitzeeinwirkung weniger aus als der Stoff, sodass bei separatem Zuschnitt und dann Zusammenbügeln manchmal Versatz entsteht. In diesem Fall gilt immer: Den Stoff dem Vlies anpassen und nicht andersrum!
Beim Bügeln muss das Bügeleisen auf die empfohlene Temperatur eingestellt sein - bei so gut wie allen Vlieselinen werden zwei Punkte empfohlen. Man sollte darauf achten, dass man wirklich alle Bereiche des Nähstückes die empfohlene Dauer der Hitze aussetzt, sodass das Vlies überall gleich gut klebt. Dabei aber das Bügeleisen möglichst nicht hin- und herschieben, um Verschiebungen und Falten zu vermeiden, sondern lieber in kleinen Abschnitten "umsetzen". Besonders Drücken muss man eigentlich nicht, da der Kleber durch die Hitze aktiviert wird und nicht durch Druck. Wichtig ist auch, dass man nicht "stempelt", denn dann kann es unter Umständen passieren, dass im Bereich der Dampflöcher zu wenig Hitze entsteht und hier die Verklebung nicht gut gewährleistet ist. Das Bügeleisen in kleinen Bewegungen versetzen, dann erzielt man die haltbarsten Ergebnisse!
Und welches Vlies nehme ich jetzt wofür?
Für Taschen sind vor allem die folgenden Vlieseline-Typen von Bedeutung (wir verwenden jetzt die Freudenberger bzw. Marken-Bezeichnungen, da diese meist auch in den Anleitungen verwendet werden. Bügeleinlagen anderer Hersteller beziehen sich aber oft auch auf diese Typenangaben!):
Dabei handelt es sich um eine glatte, feste Vlieseinlage. Sie wird gerne für den Futterstoff von Taschen verwendet, zur Verstärkung von Innentaschen oder bei Arbeiten mit mehreren Lagen. Sie gibt dem Stoff eine schöne Festigkeit, aber kein zusätzliches Volumen.
Dieses Vlies gehört in die Gruppe der Volumenvliese. Es ist zwar weich, aber einige Millimeter stark und auf der linken Seite mit einer Klebebeschichtung versehen. Für kleine Taschen ist es gut geeignet, weil es dazu führt, dass der Oberstoff noch weich, aber eben stabil ist. Für gewöhnlich bügelt man diese dünnen Volumenvliese auf den Außenstoff der Taschen auf.
Auch ein Volumenvlies, ist es etwas dicker und auch fester als H 630. Es verleiht größeren Taschen einen schönen Stand und ermöglicht gut ausgeformte Kanten. Außerdem ermöglicht es, wenn man absteppt, plastische Effekte. Und auch für Utensilos oder andere "freistehende" Dinge ist es das Mittel der Wahl, wenn man gerne trotz Stabilität noch eine gewisse Weichheit haben möchte.
Von Decovil gibt es zwei Varianten - I und I light. Die beiden unterscheiden sich in ihrer Dicke. Es handelt sich um hochfeste, aber dennoch gut formbare Vlieseinlage, die sich fast wie Leder anfühlt. Beide können aufgebügelt werden. Sie sind sehr reißfest und formstabil, eignen sich also hervorragend für Taschenklappen oder auch Messenger-Bags. die ohne zusätzliches Volumen eine hohe Standfestigkeit haben sollen. Decovil light empfiehlt sich vor allem dann, wenn das verstärkte Nähstück verstürzt oder gewendet werden soll. Denn auch wenn Decovil recht knitterfest ist, hinterlässt der Weg durch eine (zu) kleine Wendeöffnung auch mal Spuren.
Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Schabrackeneinlage. Diese Einlagen sind sehr fest und mögen es nicht besonders, geknickt zu werden. Sie eignen sich vor allem sehr gut für Taschenböden.
Dieses Vlies wird in den USA produziert, ist aber seit einiger Zeit auch in Deutschland problemlos erhältlich. Es handelt sich dabei nicht um ein aufbügelbares Vlies, sondern um ein Material, das entweder über separaten Textilkleber befestigt oder eben angenäht werden muss. Soft & Stable besteht aus einem ca. 0,5 mm starken Schaumstoffkern und einer dünnen Vliesschicht. Der Vorteil liegt in der hohen Formstabilität, ohne allzu steif zu werden. Es ist ein Zwischending zwischen Volumenvlies und Decovil und wird vor allem für kleinere Taschen und Geldbeutel sehr empfohlen. Außerdem lässt es sich (im Gegensatz zum Beispiel zu Schabracke) auch problemlos mitvernähen und hat auch kein Problem mit Knitterfalten.
Und was ist mit Alternativen?
Immer wieder hört man, dass man anstelle von Volumenvlies ja auch einfach Bodenputztücher verwenden kann. Hier scheiden sich allerdings die Geister. Hygienische Bedenken sind meines Erachtens nicht notwendig (ich gehe ja mal schwer davon aus, dass niemand in seine Handtasche ein Tuch einnähen würde, mit dem er schon mal den Boden geputzt hat ), aber die Stabilität auch nach dem Waschen ist bei einem Bodenwischtuch sicher nicht so garantiert gegeben wie bei einem extra dafür produzierten Bügelvlies. Gerade im gewerblichen Bereich ist es deswegen sicherlich eine Überlegung wert, ob man hier eventuelle Reklamationen riskieren möchte. Aber am Ende kann man nur sagen: Das muss erstens jeder für sich entscheiden und zweitens vielleicht auch einfach für sich selbst ausprobieren. Bevor man eine Tasche ganz ohne Verstärkung näht, sind die Putztücher auf jeden Fall die sinnvollere Alternative - denn so eine Tasche muss doch schon einiges aushalten mit uns Frauen, oder? Und für ein bisschen Stehvermögen sind wir alle dankbar!