Wie nähe ich Jersey richtig?

Nachdem wir uns letztes Mal mit dem Material "Maschenware" auseinandergesetzt haben, ist es nur logisch, dass wir uns dann heute damit beschäftigen, wie man Jersey am besten vernäht. Denn auch, wenn viele Jersey gerne vernähen, weil es zum einen einfach wunderschöne Designs gibt, das Material zum anderen auch unglaubliche viele Anwendungsmöglichkeiten bietet, ist die Hemmschwelle zum dehnbaren Stoff bei vielen Näherinnen doch recht groß. Vor allem am Anfang einer Nähkarriere hört man oft: "Da trau ich mich nicht ran. Da kann so viel schiefgehen!" Aber ist das wirklich so?
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Nachdem wir uns letztes Mal mit dem Material "Maschenware" auseinandergesetzt haben, ist es nur logisch, dass wir uns dann heute damit beschäftigen, wie man Jersey am besten vernäht. Denn auch, wenn viele Jersey gerne vernähen, weil es zum einen einfach wunderschöne Designs gibt, das Material zum anderen auch unglaubliche viele Anwendungsmöglichkeiten bietet, ist die Hemmschwelle zum dehnbaren Stoff bei vielen Näherinnen doch recht groß. Vor allem am Anfang einer Nähkarriere hört man oft: "Da trau ich mich nicht ran. Da kann so viel schiefgehen!" Aber ist das wirklich so?

Nun, es gibt schon ein paar Dinge, die man beim Jerseyverarbeiten beachten sollte. Aber wenn man die richtigen Tricks kennt, ist das gestrickte Material schnell kein Angstgegner mehr, und die schönen Projekte können kommen!

Punkt 1: Die Nadel. Nadelsorten

Es gibt online und im Kurzwarenladen jede Menge unterschiedlicher Maschinennadeln. Für gewöhnlich ist man mit Universalnadeln in verschiedenen Stärken gut bedient - bei Maschenware bietet es sich jedoch an, mit den extra dafür hergestellten Nadeln zu arbeiten.
Man findet im Fachhandel sowohl Jerseynadeln als auch Stretchnadeln. Beide sind für das Arbeiten mit Maschenware geeignet, und zwar besser eine Universalnadel. Das liegt daran, wie die Nadelspitze gearbeitet ist. Nadelspitzen

Bei genauem Hinsehen kann man auf dem Foto rechts den Unterschied erkennen: Links liegt eine Jerseynadel, rechts eine Universalnadel. Die Jerseynadel, die auch als "Ball Point"-Nadel bezeichnet wird, hat eine runde Spitze, die Universalnadel ist scharf. So kann die Jerseynadel zwischen die Maschen des gewirkten Materials eintauchen und drängt die Fäden zur Seite, ohne sie zu verletzten. So ist das Risiko von Löchern oder gar Laufmaschen im Stoff geringer.

Stretchnadeln haben ebenfalls eine gerundete Spitze. Darüberhinaus haben sie aber auch eine besonders ausgearbeitete sogenannte Hohlkehlform, was vor allem beim Verarbeiten feiner, synthetischer Materialien wichtig ist. Wenn man z.b. Badelycra oder Viskosejersey vernäht, ist man mit Stretchnadeln gut beraten.

Außerdem ist es natürlich immer wichtig, die Nadelstärke dem Material anzupassen. Die Faustregel ist hier: Je feiner der Stoff, desto feiner die Nadel (also desto kleiner die erste Zahl bei der Nadelbezeichnung).

Punkt 2: Der Stich.

Damit man auch Freude an einem Shirt oder einer Hose aus Jersey hat, sollte nicht nur der Stoff, sondern auch die Naht dehnbar sein. Das erreicht man dadurch, dass der Stich nicht einfach gerade die Naht entlang geht - sonst steht der Faden bei jedem Zug sofort unter Spannung und reißt. Viele Maschinen bieten eine große Auswahl an Stretch-Stichen, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Auf dem folgenden Bild seht ihr ein paar Beispiele, die ich euch (v.l.n.r.) vorstellen möchte: Stichwahl

1) Der Zickzackstich: Den hat so gut wie jede Maschine, auch die ganz alten unserer Großmütter. Man kann ihn nicht nur zum Versäubern verwenden, sondern eben auch zum Zusammennähen dehnbarer Materialien. Durch den Versatz der Einstichstellen kann sich das Material unter dem Faden dehnen.

2) Der genähte Zickzackstich oder Bogenstich, breit: Hier wird die Spanne des Zickzackstichs durch kleine Einzelstiche überbrückt. Auch hier gilt: nicht parallel zur Nahtrichtung, darum dehnbar. Der Bogenstich ist zum Säumen oder Absteppen geeignet.

3) Der Bogenstich, schmal: Wenn man die Stichbreite verändern kann, eignet sich der Bogenstich auch zum Zusammennähen.

4) Der Dreifach-Geradeausstich: Dieser Stich ist gut geeignet für Jersey, da die jeweils drei Stiche nebeneinander auch leicht versetzt sind und so auf Zug nachgeben können. Dieser Stich ist ziemlich auffällig und stabil.

5) Der Dreifach-Zickzackstich: Hochelastisch, weil hier zu den nebeneinanderliegenden Stichen noch der Versatz kommt. Gut geeignet für Ziernähte.

6) Der genähte Overlockstich: Diesen Stich haben manche Maschinen im Angebot. Manchmal wird ein spezielles Füßchen dazu empfohlen, das ermöglicht, direkt an der Stoffkante zu nähen und so eine Overlockmaschine zu imitieren. Mit diesem Stich wird genäht und versäubert zugleich.

7) Der Überwendlingsstich: Eigentlich ist "Überwendling" einfach die deutsche Übersetzung von "Overlock". Neben den Geradeausstichen werden seitlich Stiche gesetzt, die den Stoff beim Nähen mit versäubern.

8) Der Wabenstich: Sehr gut zum Säumen und für Ziernähte geeignet. Durch die Kästchenform kann der Stoff sich dehnen, das breite Stichbild sorgt dafür, dass der Saum schön glattliegt.

Punkt 3: Wenn das Material nicht so richtig will Rollsaum

Auch wenn man die richtige Nadel und den richtigen Stich gewählt hat, kann es vorkommen, dass der Jersey sich widerspenstig zeigt. Viele Jerseys neigen dazu, sich am Rand einzurollen - das ist übrigens KEIN Qualitätsmerkmal (also, wenn sie es nicht tun), sondern produktionsbedingt. Einseitig gestrickte oder gewirkte Jerseys ringeln sich ein, Interlock, der aus zwei gegenläufigen, miteinander verstrickten Stoffen besteht, kann das nicht so gut.

Um mit diesem Problem fertigzuwerden, gibt es eine ganze Reihe von Tricks:
Man kann z.B. mit großzügiger Nahtzugabe zuschneiden, neben der Rollwurst nähen und das Ganze dann am Ende abschneiden. Sorgfältiges Stecken mit vielen Stecknadeln - es gibt übrigens auch spezielle Ball-Point-Stecknadeln! - oder auch der Einsatz von Wonderclips kann hilfreich sein. Und ein alter Trick ist es, den Jersey leicht mit Sprühstärke zu behandeln, sodass er sich zumindest für die Zeit unter der Nähmaschine eben nicht mehr einrollt.

Gerade bei feinen Jerseys kann es passieren, dass die Maschine den Stoff am Anfang der Naht nicht richtig transportiert und ihn im schlimmsten Fall sogar "frisst". Hier kann es helfen, zu Beginn vorsichtig an den Fäden nach hinten zu ziehen und den Stoff so zu transportieren, bis er weit genug unter dem Füßchen liegt. Vorsicht! NICHT am Stoff ziehen. Jersey gibt auf Zug sofort nach und die Naht verzieht sich. Das Ergebnis: unschöne Wellen.

Gegen die Problematik beim Transportieren kann es auch helfen, einen Obertransportfuß zu verwenden. Manche Maschinen haben bereits einen eingebauten Obertransport, bei anderen kann man ihn als Zubehörteil kaufen.

Wenn die Maschine einen verstellbaren Nähfußdruck bietet, kann es hilfreich sein, diesen herabzusetzen, um einen gleichmäßigeren Transport zu gewährleisten und Wellen zu vermeiden.

Und falls es trotz aller Vorsicht doch dazukommt, dass der Stoff sich - z.B. am Saum oder am Halsausschnitt - wellt, dann kann es oft hilfreich sein, wenn man das fertige Stück ordentlich dämpft, also beim Dampfbügeleisen auf die höchste Dampfausstoßstufe stellt und die wellige Stelle damit behandelt.

Mit diesen Tipps und Tricks steht dem erfolgreichen Vernähen von Jersey eigentlich nix mehr im Wege. Nur eins noch: Wenn man viel und gerne Jersey verarbeitet, lohnt es sich immer, über die Anschaffung einer Overlock-Maschine nachzudenken. Denn damit ist zumindest das Zusammennähen der Kleidungsstücke gleich noch mal so leicht!