Heute haben wir richtig hohen Besuch im Nähcafé: Julia, das Gesicht hinter Lillesol & Pelle, hat zwischen Buchvorstellungen, Schnittmuster erstellen und der Jagd nach neue Ideen Zeit für ein Pläuschchen mit uns gefunden! Nicht erst seit dem Erscheinen ihres Buches "Jersey nähen - Easy Basics" sind die Schnitte, mit denen Julia uns versorgt, aus keinem Nähzimmer mehr wegzudenken. Heute erzählt sie uns davon, wie ihr erster eigener Schnitt entstanden ist, wie sich die Bloggerlandschaft der letzten Jahre verändert hat und warum Qualität sich langfristig durchsetzt.
Sewunity: Liebe Julia, zwischen Buchpräsentationen, Liveauftritten und der Arbeit an neuen Schnitten hast du Zeit gefunden, uns im Nähcafé zu besuchen. Vielen Dank dafür! Sag mal ehrlich, hat dein Tag mehr als 24 Stunden?
Julia: Ja, das wäre schön! Manchmal wünschte ich, der Tag hätte tatsächlich mehr Stunden. Aber das geht sicherlich allen arbeitenden Müttern so.
Lillesol & Pelle ist sicherlich eins der bekanntesten Labels in der deutschen Nähszene. Als du vor mittlerweile fast acht Jahren mit dem Bloggen angefangen hast – hättest du da gedacht, dass sich das so entwickelt?
Nein, nie im Leben hätte ich mir das vorstellen können. Manchmal bin ich selber ganz überrascht, was ich in den letzten Jahren alles gemacht habe und wohin die Reise gegangen ist bzw. wo sie noch weiter hingeht.
Wie hat das eigentlich alles angefangen? Wie bist du zum Nähen gekommen? Und was hat dich bewogen, einen Blog über deine Leidenschaft fürs DIY zu erstellen?
Zum Nähen bin ich, wie viele andere Mütter auch, mit der Geburt meiner ältesten Tochter gekommen. Ich habe begonnen Kissen und Gardinen zu nähen, und dann kamen kleinere Projekte wie Windeltaschen und Pixibuch-Hüllen dazu. Mit der Zeit wurden die Projekte größer und das Materiallager wuchs.
Ich war schon immer gerne kreativ, ohne ein einziges, ganz spezielles Hobby zu haben; das waren eher immer Phasen, in denen ich mal mehr fotografiert, mal mehr gemalt und mal mehr gebastelt habe. Auch habe ich immer gerne am PC gearbeitet, und so lag es nahe, einen Blog zu schreiben und beides zu verbinden. Die Blogger-Szene war damals noch eine ganz andere, man kannte sich und las regelmäßig voneinander und kommentierte viel mehr. So sind tatsächlich auch in dieser Anfangsphase viele liebe (Blogger-)Freundschaften entstanden, mit denen ich bis heute in regelmäßigem Kontakt stehe.
Und irgendwann wolltest du dann deine eigenen Ideen umsetzen und hast dein erstes E-Book erstellt. Erinnerst du dich noch: Wie kam dir die Idee zu deinem ersten eigenen Schnitt? Und wie lange hat es gedauert, bis das E-Book dann veröffentlich wurde?
Ich habe damals begonnen, für mich Taschen zu nähen, jedoch fand ich nicht das passende Schnittmuster, da die meisten Taschen damals nicht verstürzt genäht waren, das hat mich gestört. Außerdem waren es oft nur sehr kleine Täschchen oder einfache Beutel. Ich wollte aber gerne eine schicke Tasche, die ein bisschen mehr Platz hat für Babykram & Co. So kam mir die Idee zur Shoppingtasche Lillesol, die ich mit Gürtelschnallen und Taschenringen aufgepeppt habe, was ich so vorher noch nicht gesehen hatte. Bis das Schnittmuster und die Anleitung fertig waren, hat es Wochen gedauert.
Und wie sieht es heute, mit all deiner Erfahrung, aus? Wie läuft jetzt die Entstehung eines Lillesol-&-Pelle-E-Books ab?
Manche Dinge haben sich natürlich vereinfacht. Ich muss nicht jedes Mal das E-Book von vorne bis hinten neu schreiben, sondern habe Designvorlagen, da natürlich alle meine E-Books gleich aufgebaut sein sollen, damit man sich auch bei neuen Schnitten gut zurechtfindet. Trotzdem kann der Entwicklungsprozess sich manchmal zwei Monate hinziehen, da meine Schnitte auch viel aufwändiger geworden sind.
Ich arbeite mit einem Schnittbüro zusammen, da ich selbst keine gelernte Schnittdirectrice bin und der letzte perfekte Schliff einfach von einem Profi gemacht werden muss. Aber auch hier, vom ersten Schnittentwurf über das Probenähen bis zum finalen Schnitt können einige Wochen vergehen.
Dazu kommt, dass ich inzwischen nicht mehr „nur“ ein Kind habe, sondern drei, und da natürlich viel mehr Zeit benötigt wird.
Man hat gerade so ein bisschen das Gefühl, der Buchmarkt hat die Nähblogger-Szene entdeckt. Ein Buch nach dem anderen mit einem „bekannten Gesicht“ als Autor erscheint. Du hast dein erstes Buch mit eigenen Schnitten ja bereits 2013 herausgebracht, vor Kurzem erschien nun mit den „Jersey Basics“ ein weiterer Band. Wenn du die Entstehungsgeschichte deiner beiden Bücher vergleichst – hat sich da viel verändert? Wirst du als Bloggerin und Autorin heute anders wahrgenommen als noch vor drei, vier Jahren?
Das stimmt! Es sind sehr viele Blogger-Bücher in letzter Zeit auf den Markt gekommen, nicht nur im Bereich Nähen, sondern auch in anderen Bereichen. Wir Blogger haben heute einen anderen Status als noch vor ein paar Jahren. Man wird ernst genommen und die Verlage erhoffen sich natürlich durch die Bekanntheit und Reichweite der Blogs und Facebook einen gewissen Multiplikationseffekt.
Die gesamte Nähszene erlebt ja derzeit einen wahren Boom. Nicht nur, dass immer mehr Leute das Nähen für sich entdecken, auch DIY-Blogs und E-Book-Ersteller scheinen wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Wie siehst du diese Entwicklung – positiv oder eher kritisch?
Grundsätzlich freue ich mich natürlich über den Boom der Nähszene, da natürlich auch ich davon profitiere. Überrascht bin ich auch über die vielen, vielen neuen E-Book-Ersteller. Es gab Zeiten, da habe ich recherchiert, wer welchen Schnitt schon herausgebracht hat, und dann davon Abstand genommen, wenn es ihn schon gab. Heute blickt man überhaupt nicht mehr durch und viele Anbieter kennt man einfach gar nicht. Ich schaue da inzwischen nicht mehr so sehr nach rechts und links, sondern folge meinem Stil und arbeite an den Schnittmustern, die in mein Sortiment passen.
Und denkst du, dieser Boom wird anhalten? Oder platzt irgendwann die „E-Book-Blase“?
Ich denke, dass sich langfristig Qualität durchsetzt. Ich höre immer wieder, dass E-Books gekauft werden von neuen, unbekannten Anbietern und man die direkt wieder gelöscht hat, weil das genähte Teil für die Tonne war. Da bleibt man dann doch lieber bei seinem Schnittmuster-Hersteller, den man kennt und einschätzen kann. Denn nichts ist ärgerlicher, als wenn man viel Geld für Stoff investiert hat und eine Menge Zeit und dann unglücklich ist. Es ist für die meisten schließlich ein Hobby und das soll Freude machen.
Ja, Qualität setzt sich durch, sagt man. Was macht für dich ein gutes E-Book aus? Worauf legst du, gerade auch bei deinen eigenen Anleitungen, besonderen Wert?
Genau, so ist es!! Ein gutes E-Book sollte vor allem einen sehr gut sitzenden Schnitt haben. Denn das ist das A und O … was nützt die schönste Foto-Anleitung und die coolste Grafik und Aufmachung, wenn das Kleidungsstück einfach nicht sitzt. Trotzdem sollte natürlich auch die Anleitung stimmig sein. Mir sind deutliche Fotos und klare Sätze wichtig, die jeden einzelnen Schritt beschreiben. Das hört sich selbstverständlich an, ist es aber nicht …
Kommst du neben der Arbeit eigentlich noch dazu, „privat“ zu nähen? Welchen Schnitt (mit Ausnahme deiner eigenen) würdest du als Lieblingsschnitt bezeichnen?
Nein, ich nähe fast nie „privat“, wie schon oben geschrieben, der Tag hat leider nur 24 Stunden und ich bin immer froh, wenn ich meine aktuellen Schnitte alle genäht habe. Insofern kann ich auch gar keine fremden Schnittmuster empfehlen, die ich in letzter Zeit genäht habe. Da ich sehr eng und gerne mit Claudi von Ki-Ba-Doo zusammenarbeite, habe ich früher als noch mehr Zeit war auch immer gerne ihre Schnitte genäht. Da ich weiß, wie ihre Schnitte entstehen, kann ich sie in jedem Fall auch heute noch empfehlen.
Deine Schnitte eignen sich für Anfänger und Fortgeschrittene und decken so ziemlich jeden Wunsch, den man an Kleidung stellen kann, ab. Gibt es für dich aber noch ein richtiges Desiderat – etwas, das deiner Meinung nach noch fehlt im Lillesol-&-Pelle-Angebot? Oder eine Herausforderung, der du dich gerne stellen würdest?
Wie ihr wisst, stehe ich ja so ein bisschen für Basics, und da gibt es schon noch den ein oder anderen Schnitt, der fehlt. Mittelfristig möchte ich natürlich gerne alle gängigen Basic-Schnitte anbieten können.
Und wovor drückst du dich beim Nähen gern? Was macht dir da so gar keinen Spaß?
Mit der Hand nähen! Wenn möglich, versuche ich das zu vermeiden.
Mit den neuen Schnitten für Softshelljacken hat der Herbst bei dir Einzug gehalten. Erlaubst du uns einen Blick in dein Arbeitszimmer? Woran arbeitest du gerade – und worauf dürfen die Fans von Lillesol & Pelle sich als Nächstes freuen?
Ja … der Herbst ist da! Das ging irgendwie sehr schnell in diesem Jahr. Was es ganz genau geben wird, verrate ich noch nicht, nur ein paar Hinweise. Es sind aktuell vier Schnitte in Vorbereitung: Ein Damenschnitt, den es bereits als Kinderschnitt gibt. Ein ganz einfacher Basic-Schnitt, der noch in meiner Sammlung fehlt. Und zwei Mal etwas Wärmendes … Mehr wird nicht verraten …
Bei Sewunity erhalten deine Schnitte ausnahmslos Bestnoten. Fast 300 Fotos haben unsere User zu deinen E-Books hochgeladen! Wir würden den Spieß gerne mal umdrehen – wie viele Sterne würdest du Sewunity geben, und warum?
Ich finde die Sewunity ganz toll, hier habe ich erstmal gesehen, wie viele Anbieter es inzwischen gibt. Und gerade um sich in diesem umfangreichen Markt ein bisschen einen Überblick zu verschaffen, ist das natürlich eine super Informationsquelle!!! Also ganz klar: volle Sternenzahl!
Zum Abschluss würden wir gerne unser „Was passt zu dir?“-Spiel auch mit dir spielen. Wir nennen dir immer zwei Begriffe, und du sagst ganz spontan, welcher Begriff besser zu dir passt:
- Rollschneider oder Schere? Rollschneider
- E-Book oder Papierschnitt? Määääp---- unentschieden
- Webware oder Maschenware? Im Moment Maschenware
- Nähkurs oder Autodidakt? Autodidakt
- Overlock umfädeln oder immer mit der gleichen Farbe nähen? Gleiche Farbe (psssst)
- Onlineshopping oder Stoffgeschäft? Kinder-und-zeitbedingt im Moment meist Onlineshopping, aber von Herzen lieber im Stoffgeschäft Stoffe streicheln …
- Couch oder Laufschuhe? Ich würde jetzt gerne Laufschuhe sagen können … ist aber ganz ehrlich nicht so.
- Kaffee oder Tee? TEE!!! Earl Grey, stark und mit Milch.
Liebe Julia, vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns genommen hast!
Sehr gerne!! Vielen lieben Dank an Euch!