Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war es regelrecht exotisch, Badebekleidung selbst zu nähen. In manchen Ottobres oder anderen Nähzeitschriften gab es vereinzelt mal Schnitte, aber das Material war nur bei Spezialisten zu bekommen. Als ich den ersten Bikini nach dem Schnitt der erbsenprinzessin probenähen durfte, hatte sie extra für uns recherchiert und einen oder maximal zwei Händler aufgetan, bei denen man Badelycra kaufen konnte - und auch das andere Zubehör, was man für Badeanzüge und Co. benötigt.
Das hat sich in letzter Zeit geändert. Viele Anbieter haben Badelycra im Angebot - und das nicht nur einfarbig! Viele tolle Designs gibt es mittlerweile zu kaufen, und die Schnittmusterersteller ziehen ebenfalls nach. Es gibt jetzt durchaus mehr Möglichkeiten, als Unterwäscheschnitte umzuarbeiten - in unseren Stars stellt euch Tatjana heute die tollsten Bademoden vor! Und damit ihr gleich loslegen könnt, kommt hier das Wichtigste zum Thema: Wie verarbeite ich eigentlich dieses Badelycra?
Zuerst einmal: Lycra ist eigentlich nur ein "Markenname" für Elasthan. Es handelt sich dabei um eine hochelastische Kunstfaser, die bei Badeanzugstoffen zu einem ziemlich hohen Prozentsatz (zwischen 10 und 20 Prozent) anderen Materialien (in erster Linie Polyamid) beigemischt werden. So sind die Stoffe sehr elastisch, trocknen schnell und sind extrem formstabil. Außerdem ist Badelycra chlor- und salzwasserbeständig.
Bei der Verarbeitung können vor allem dadurch Probleme auftreten, dass Badylcra eine superglatte Oberfläche hat. Es zählt also zur Familie der "schlüpfrigen Scheißerchen" . Das in Verbindung mit der großen Elastizität verlangt beim Nähen zum einen Sorgfalt, zum anderen das passende Equipment.
Auch Badelycra ist Maschenware, wird also gestrickt. Es kann daher nicht ausfransen, ist aber empfindlich, wenn die Maschenstruktur verletzt wird. Daher wird die Verwendung von Mikrotex- oder Stretchnadeln empfohlen - diese haben eine Ballpoint-Spitze, sodass sie die feinen Kunstfaserfäden nicht so leicht durchtrennen. Im Gegensatz zu Jerseynadeln sind sie aber dünner und haben eine leichte Hohlkehle, wodurch sie leicht durch die festen Maschen des Lycra gleiten. Beim Zusammennähen sind WonderClips hilfreich. Sie verhindern das Verrutschen der Schnittteile und hinterlassen keine Löchlein oder gar Laufmaschen im Material.
Es empfiehlt sich, wenn möglich, Lycra mit der Overlockmaschine zu verarbeiten. Wichtig ist auf jeden Fall, hochelastische Stiche zu benutzen - wenn man keine Overlock hat, sollte man auf jeden Fall Stretchstiche benutzen! Ein normaler Zickzackstich ist nur bedingt geeignet, weil Badehosen und Badeanzüge ja meistens eng anliegen - da wird die Naht dann auch belastet, das beim Zickzack schnell nicht mehr schön aussieht.
Ein Tipp, wenn man mit der Overlock näht: Gerade bei den Nähten, die man dann innen spürt, ist es sinnvoll, Bauschgarn als Greiferfaden zu verwenden. Bei Bauschgarn handelt es sich um ein spezielles Overlockgarn, das aus weniger einzelnen Fäden besteht und auch nicht so fest verdrillt wird wie herkömmliches Nähgarn. Dadurch ist das Bauschgarn weich und - na ja, eben bauschig.
Idealerweise benutzt man für beide Greiferfäden nun Bauschgarn. Die Nadelfäden können weiterhin mit normalem Garn "bestückt" sein, da Polyesterfaden auch chlor- und salzwasserbeständig ist. Wenn man empfindlich ist, bietet es sich an, mit einer Dreifaden-Overlocknaht zu arbeiten. Diese ist schmaler und trägt weniger auf und reibt auch weniger auf der Haut.
Badekleidung hält natürlich nur dann richtig gut, wenn auch Gummi eingebaut wird. Auch hier gibt es für den Einsatz im Wasser ein spezielles Gummi - so genanntes Badegummi. Das unterscheidet sich von herkömmlichem Gummiband dadurch, dass es keine Garnummantelung besitzt. Diese macht zwar die Kanten des Gummis weicher und trägt auch zur Elastizität bei - sie ist aber nicht für Chlor- oder Salzwasser geeignet. Wenn man hier normales Gummiband verwendet, riskiert man, dass die Gummibänder nach kurzer Zeit brüchig werden. Und da die Gummis häufig nicht einfach nur eingezogen, sondern richtig eingenäht werden, würde dadurch die Badehose leider unbrauchbar werden.
Man kann auch Framilon (das durchsichtige Gummiband, das gerne zum Kräuseln eingesetzt wird) verwenden, doch "richtiges" Badegummi ist fester und verleiht mehr Halt. Gerade für Bikini-Oberteile, die nicht gebunden werden, sondern einen Gummibandabschluss haben, ist das Badegummi vorzuziehen.
Und damit ist der Badeanzug auch schon fast fertig. Beim Säumen oder Umnähen der Gummibandabschlüsse sind ebenfalls wieder elastische Stiche zu empfehlen. Eine Bogennaht oder ein Wabenstich sehen hier auch noch dekorativ aus - und wer den einen oder andere Zierfisch Zierstich an seiner Maschine hat, kann sich hier so richtig austoben!
Noch ein Wort zum Thema Badekleidung aus Jersey: Das ist nur sehr bedingt empfehlenswert. Jersey, vor allem, wenn er aus Baumwolle besteht, ist nicht dafür gedacht, in nassem Zustand getragen zu werden. Die Maschenware saugt sich voll, wird schwer und verliert die Form. In vielen Schwimmbädern ist es auch eigentlich nicht erlaubt, in "herkömmlicher" Bekleidung ins Wasser zu gehen. Das bezieht sich zwar eigentlich vor allem auf Surfershorts und Konsorten, aber im Prinzip wären von solch einem Verbot auch Bikinis aus herkömmlichem Jersey betroffen. Bei hellen Stoffen sollte man immer daran denken, warum bei einem Wet-T-Shirt-Contest weiße Baumwollshirts getragen werden Und außerdem - um sich wieder ernsthafteren Themen zuzuwenden - der UV-Schutz von Baumwollstoffen nimmt stark ab, wenn das Material nass wird. Badelycra hat oft einen sehr hohen UV-Schutz (in der Regel 50+), der nicht durch irgendwelche spezielle Behandlung erreicht wird, sondern einfach mit dem verwendeten Material und der Strickweise zusammenhängt. Dadurch eignet sich Badelycra auch für T-Shirts, die als Sonnenschutz getragen werden sollen. Normaler Baumwolljersey hat nur einen UVP von etwa 10, je heller, desto weniger, und bei Nässe wird der Schutz noch weiter heruntergesetzt. Auch deswegen lohnt es sich also auf jeden Fall, sich der Herausforderung Badelycra zu stellen. Und ganz ehrlich: Es sieht einfach klasse aus!
Wie sehen denn eure eigenen Erfahrungen mit dem Funktionsstoff aus? Habt ihr noch weitere heiße Tipps für uns? Wir freuen uns auf eure Kommentare!